[Interview] Saskia Hennig von Lange

© Stefan Freund

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Saskia Hennig von Lange ist 1976 geboren und lebt in Frankfurt am Main. Sie studierte Angewandte Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte. Sie forscht und arbeitet an der Justus-Liebig-Universität Gießen an ihrer Dissertation zum Verhältnis von Bild, Rahmen und Körper in der spätmittelalterlichen Kunst. 2013 veröffentlichte sie im Jung und Jung Verlag die Novelle Alles, was draußen ist. Im August erschien ihr Debütroman Zurück zum Feuer, für den sie den Hallertauer Roman-Debütpreis bekam.

In ihrem Debütroman klinkt sie sich geschickt in die Köpfe ihrer Protagonisten ein und erzählt eine Geschichte von existenzieller Wucht, die trotz allem nicht zarter hätte sein können. Wir begegnen einem sterbenden Max Schmeling, einem Ehepaar, das verzweifelt versucht, über einen Verlust hinwegzukommen und einem Haus voller letzter Augenblicke.

Ich habe mit Saskia Hennig von Lange über ihren Roman und das Schreiben gesprochen. Die Rezension findet ihr hier.


Wie lange hast du an deinem Debütroman gearbeitet?

Ehrlich gesagt, gar nicht so lange. Bis der Text fertig war, hat es etwa dreieinhalb, vier Monate gedauert. Weil ich ja auch noch einen Job an der Uni und zwei Zurück zum feuerKinder habe, konnte ich fast nur an den Wochenenden schreiben. Das war aber eine sehr schöne, sehr konzentrierte Zeit.

Wie schwer gestaltete sich die Verlagssuche bzw. war es klar, dass du bei deinem bisherigen Verlag bleibst?

Mein erstes Buch, die Novelle „Alles, was draußen ist“, ist ja auch schon bei Jung und Jung erschienen – und es war klar, dass ich das zweite eben auch dort machen würde. Ich habe dann auch von Anfang des Schreibprozesses an eng mit meinem Lektor Günther Eisenhuber zusammengearbeitet. Diese gemeinsame Arbeit war wichtig – für mich und für den Text.

Was war es für ein Gefühl, dein fertiges Buch in Händen zu halten?

Das war traurig und schön zugleich. Traurig, weil damit natürlich klar ist: Diese Arbeit ist jetzt vorbei, der Text hat nun eine Form, aus der er nicht mehr herauskann. Dieser Gedanke fiel mir ein bisschen schwer (und so war es auch schon beim ersten Buch), weil ich generell nicht so sehr an die Abschließbarkeit von solchen Prozessen glaube. Aber schön war es natürlich trotzdem, besonders eben, weil das Buch selbst so schön geworden ist.

Du hast es bereits mehrfach erwähnt: Ausgangspunkt deines Romans war ein Bild von Max Schmeling und seiner Frau in der Zeitung. Was hat dich daran angesprochen, das Bild oder der Name Schmeling? Hätte es diese Geschichte auch ohne Schmeling geben können?

Schmeling ist eine tolle, widersprüchliche Figur und das auf vielen Ebenen, das hat mich direkt angesprochen: seine ja doch ambivalente Rolle in der NS-Zeit und die bruchlose Integration in die Bundesrepublik, und dort dann wieder seine eigene, integrative Funktion; dass er ein öffentlicher und zugleich zutiefst privater Mensch war, so kommt es mir jedenfalls vor; und dann auch noch der Boxsport, wo mich doch das Körperliche im Schreiben so sehr interessiert; und dass er so alt geworden ist und so lange dann auch allein in diesem winzigen Haus im Wald gelebt hat. Und seine schiere körperliche Präsenz, wie ich sie dann in den alten Aufnahmen seiner Kämpfe finden konnte. Also ja, das war ein Glücksfall und ohne Schmeling, nein, da könnte es diese Geschichte niemals geben.

In deinem Roman findet sich kaum wörtliche Rede, vielmehr wird die Geschichte über die Gedanken der Figuren transportiert. Warum hast du dich für diese Perspektive entschieden?

Weil ich eben glaube, dass der Mensch sich mehr in seinem Denken zeigt und weniger im Sprechen.

Liebe, Verlust, Tod – du verarbeitest große Themen in deinem Roman. Gibt es da Platz für Hemmungen oder auch Zweifel, diesen Themen gerecht zu werden?

Natürlich, aber die muss man wohl über Bord werfen – sonst kommt man ja keinen einzigen Schritt weiter.

Gibt es eine Stelle im Buch, die dir ganz besonders am Herzen liegt? Wenn ja, welche und warum gerade diese?

„Und deshalb will ich hier noch eine Weile stehen, die Hand auf dem Türflügel des Einbauschranks im Haus von Max Schmeling, mitten in einem Dunkel, in dem ich mir selbst unwirklich vorkomme und in dem ich doch auf eine Art bin, wie ich es sonst nicht bin und wie ich es auch nicht mehr sein werde.“

Diese ist es, kurz vor Ende des Buchs, der Protagonist Max steht im Schmelinghaus und weiß, dass er bald dort hinaus muss, dass seine Zeit da zu Ende geht. Und er weiß, dass er so, wie er zu diesem Zeitpunkt in dem Haus ist, nie mehr sein wird – dort nicht und woanders nicht. Das hat sehr viel mit mir und dem Schreiben an diesem Text zu tun – und eben dem Wissen darum, dass dieser Prozess bald zu Ende ist. Ich erinnere mich noch gut an diesen Moment. Und so ist dann ja doch irgendwas von mir darin geblieben.

Du arbeitest an deiner Dissertation zum Verhältnis von Bild, Rahmen und Körper in der spätmittelalterlichen Kunst. Hat das wissenschaftliche Schreiben den gleichen Stellenwert für dich wie das literarische Schreiben? Hat es einen Grund, dass du innerhalb deiner Dissertation über weit zurückliegende Zeiten schreibst und in deiner Literatur ganz der Gegenwart verhaftet bist?

Die historische Zeit ist ja doch irgendwie eine Konstruktion, zumindest kommt es mir so vor, und die Dinge, mit denen ich mich in der Diss beschäftige sind ja noch da, die stehen mir ja gegenüber und wollen irgendwas von mir und stellen Fragen, mit denen ich umgehen muss. Und diese Fragen, nach dem Tod und seiner Darstellbarkeit, nach den Bildern, die der Mensch sich von sich und seinem Körper macht, nach der hauchfeinen Grenze zwischen Präsenz und Repräsentation, also zwischen den Dingen der Welt und deren Darstellung, diese Fragen scheinen mir gar nicht vergangen zu sein.

Gibt es Autoren oder Bücher, die dich in deinem Schreiben beeinflusst haben?

Ja, die gibt es auch wenn die mich vielleicht weniger im Schreiben, denn im Denken beeinflusst haben, die mich vielleicht befreit haben und mir gezeigt haben, dass eine gewisse Radikalität nötig ist oder zumindest möglich. Also, ja: Thoma Bernhard und Heiner Müller, immer wieder Kafka, auch Brecht, die ganzen Franzosen: Pascal, Lacan, Barthes, Deleuze. Zu denen kann ich immer wieder zurück. (Auch wenn die sich in dieser Reihung vielleicht nicht so wohl fühlen würden, in meinem Kopf passt es.)

Hast du bereits ein weiteres Buch geplant?

Ja. Ich bin schon dabei.

Vielen Dank für das nette Interview. Ich warte gespannt auf das neue Buch und wünsche alles Gute für die Zukunft.

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