von Laura P.
Ein Debüt lesen
Ein Debüt ist etwas Besonderes. Jemand hat erstmalig eine Geschichte zu Ende erzählt und diese veröffentlicht – setzt seine Geschichte damit den Lesern, der Kritik und dem Lob aus. Sofern der Debütant überzeugt, sind die Erwartungen hoch: Was folgt als nächste Veröffentlichung? Kann er oder sie weiterhin überzeugen? Enttäuscht ein Debüt, kann das dazu führen, dass sich wenige für seine weiteren Veröffentlichungen interessieren – wenn es überhaupt dazu kommt. So oder so: Ein Debüt setzt sich einem hohen Erwartungsdruck aus. Besonders in der Flut der Veröffentlichungen in der Literaturwelt muss man als Debütant durch Sprache und/oder Inhalt, Figuren, Spannung oder Innovation überzeugen.
Ich habe mich selbst gefragt, wie ich ein Debüt lese. In der Regel ist mir bei bzw. vor der Lektüre bewusst, dass es sich um ein Debüt handelt. Dieses Hintergrundwissen beeinflusst mein Lesen vielleicht minimal, aber es prägt meinen Eindruck. Etwas anderes zu behaupten wäre unehrlich. Was unterscheidet meine Debüt-Lektüre von anderer? Worauf achte ich womöglich unterschwellig? Welche Ansprüche erhebe ich als Leserin?
Ich habe ein paar Punkte zusammengestellt und interessiere mich dafür, wie das bei euch ist. Wie lest ihr Debüts? Achtet ihr auf ähnliche Punkte oder auf ganz andere?
Wie ich ein Debüt lese:
Kritik am Buch generell: Welche Schwächen gibt es? Was zeichnet den Roman aus?
Überzeugt das Buch mich sprachlich und inhaltlich oder nur durch eines der beiden? Was ist das dominanteste Merkmal des Romans: Ausgeklügelte Charaktere? Ein fesselnder Spannungsbogen? Eine poetische Sprache?
Was macht einen Debüt-Roman zu einem wirklich guten? Meine Ansprüche
Stimmt das Zusammenspiel von Sprache und Inhalt und sind interessante Themen anhand überzeugender Figuren verarbeitet hat mich ein Buch für sich gewonnen.
Typische Debüt-Eigenschaften
Innovationszwang? Zwingend etwas Neues schaffen müssen
Thematische Überfrachtung? Der Drang, alles in einen Roman packen, was wichtig scheint
Aufmerksamkeit um jeden Preis? Grenzwertige Themenwahl, Übertreibung …
Selbsttherapie?: „Sehr verbreitet ist der Gedanke, dass sich ein Autor mit seinem ersten Buch selbst therapiere.“ (Kortmann, S. 252)
Das Debüt als Generationenroman? „Das gelungene Debüt formuliert etwas, das uns alle bewegt, was aber noch niemandem gelang, in Worte zu fassen.“ (Kortmann, S.258)
Der Debüt-Bonus
Tatsächlich erwische ich mich des öfteren dabei, gedanklich dem Debüt einen gewissen Bonus einzuräumen, nach dem Motto; Naja, das ist ja erstmal das Debüt, er / sie kann sich ja schriftstellerisch noch weiterentwickeln.
Wer ist der Autor? Welchen (literarischen) Hintergrund hat er?
Ist das, wovon er schreibt, autobiografisch geprägt? Wie gut sind Fakten recherchiert, hat der Autor ggf. ein relevantes Studium absolviert?
Hat der Autor vielleicht literarische Preise erhalten? Stammt er aus einem literarisch-künstlerischen Umfeld?
Reflektionsebene / Autor:
Liegt das Debüt schon ein paar Jahre zurück: Wie steht der Autor inzwischen zu seinem Erstling?
Zusammengefasst heißt das: Einerseits gehe ich mit Debüts besonders kritisch um und richtig gewonnen haben sie dann, wenn sie alle meine zahlreichen Ansprüche erfüllen. Andererseits vergebe ich großzügig Debüt-Boni – und schließe selten komplett aus, von dem Autor nochmal eine weitere Veröffentlichung zu lesen.
Meine Auflistung ist natürlich eine rein subjektive und keine auf wissenschaftlich fundierten Kriterien beruhende. Daher bin ich gespannt, wie ihr Debüts lest!?!
Literatur:
Kortmann, Christian: Die aus dem Nichts kommende Stimme: zur Ästhetik des literarischen Debüts in der Mediengesellschaft, 2006
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