[Literaturpreis] Margit Mössmer – Die Sprachlosigkeit der Fische

Am 18.9.2015 wird der Franz-Tumler-Preis für den besten deutschsprachigen Debütroman in Laas verliehen. Wie wir bereits ankündigten, verfolgen wir die Verleihung und darüber hinaus hat jede von uns einen der nominierten Romane gelesen. Wir werden nun in einer kleinen Reihe jeweils die Autorinnen in einem Interview und Statements zu ihren Romanen vorstellen.

Nun kommt das Romandebüt „Die Sprachlosigkeit der Fische“ von Margit Mössmer.

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Wo ist Gerda? Das weiß in diesem Roman niemand. Noch weniger weiß man, wer sie eigentlich ist. Sie ist ein Au-Pair-Mädchen in London, eine Liebhaberin des göttlichen Torero Domingo Valderrama, der sich seit dem Unglück bei seinem 236. Bullen in einem Kirchturm versteckt. In Paris verkauft sie Tickets für eine mittelmäßige Burlesque-Show, in Wien arbeitet sie als Kellnerin und auf Sizilien ist sie die Bürgermeisterin von Catania und lässt die Lava des Ätna umleiten. Dies sind aber nur wenige ihrer Lebensstationen, deren Anzahl genauso geheimnisvoll ist, wie Gerda selbst. Denn sie erfindet sich jedes Mal neu.

Die Rahmenerzählung stellt die Suche einer jungen Frau nach Gerda in Ecuador dar. Den Kernteil des Romans bilden die Kurzgeschichten aus Gerdas Nomaden-Leben.

Die unkonventionelle Handlung, die keinen geschlossenen Plot hat, sondern sich aus achronologisch angeordneten, doch gut pointierten, witzigen und stets (manchmal an der Grenze zum Märchenhaften oder zur Groteske) überraschenden Kurzgeschichten zusammensetzt, und eine genauso klare, wie schöne und klassische Sprache sind die handfesten Stärken dieses Romans. Gekonnt bindet diese junge Autorin Tradition und Moderne zu einem harmonischen Werk der schönen Literatur.

Ein klarer Vorzug des Romans ist außerdem die Art und Weise, wie er mit jeder Seite den Mythos „Gerda“ entstehen lässt, dessen Hauptmerkmale Gerdas Zeitlosigkeit, ihre gleichzeitige An- und Abwesenheit und die hinterlassenen Spuren in der Geschichte sind. Die Phantasie vermischt sich mit der Realität, die bald nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Wenn sich also jemand fragt, warum Catania im Wappen ein „exotisches Rüsseltier“ trägt, dem ist dieses Buch besonders nahezulegen.

Wahrgenommen wurde dieser Roman bisher vorwiegend in der Bloggerszene Österreichs. In Deutschland wurde er von keiner der namhaften Stätten der Literaturkritik besprochen. Schade. Denn die Aufmerksamkeit hat diese 1982 geborene und in Wien als Redakteurin und Ressortleiterin beim Freien Magazin FM5 tätige Schriftstellerin mit ihrem Debüt verdient.

Mehrere Jahre hat Margit Mössmer an ihrem Erstlingsroman gearbeitet, was sich in der (zugegeben, subjektiv gemessenen) Qualität des Textes deutlich spiegelt. Nun steht die Debütantin im Finale des Franz-Tumler-Preises und hat reale Chancen ihren Erfolg von 2010, als ein Ausschnitt aus diesem Roman im Ö1 Literaturwettbewerb WÖRTER.See prämiert wurde, zu wiederholen. Sollte dies nicht passieren, ist die Lektüre dieses lesenswerten Werkes dennoch mit Nachdruck zu empfehlen. Last but not least: Gut, dass die Autorin kein Fisch ist…


Interview mit Margit Mössmer

August 2015

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© ORF Ö1 − Mit freundlicher Genehmigung von Margit Mössmer

Wie lange hast du an dem Roman gearbeitet?
Einige Jahre lang.

Wie schwer gestaltete sich die Verlagssuche?
Man braucht halt Zeit. Zeit um sich darüber im Klaren zu werden, dass man überhaupt an die Öffentlichkeit gehen will und einen Verlag finden möchte. Zeit um herauszufinden, mit welchem Verlag man gerne zusammenarbeiten würde, und Zeit um diesen Verlag dann für das Projekt zu begeistern.

Was war es für ein Gefühl, dein fertiges Buch in Händen zu halten?
Unheimlich, aber schön

Gibt es Autoren oder Bücher, die dich und dein Schreiben beeinflusst haben?
Mit Sicherheit, wobei ich nie genau orten kann, was mich wie beeinflusst. Von manchen Büchern bin ich so hin und weg, dass ich gerne hätte, dass sie mein Schreiben mehr beeinflussen, als sie es tun. Sprich: Wie schreibt man eigentlich so genial wie Vargas Llosa im Geschichtenerzähler? Was genau treibt Valerie Fritsch mit meinem Gehirn, wenn ich Winters Garten lese? Magie.

Ist ein weiteres Buch geplant?
Ich habe angefangen über eine Figur zu schreiben, die im aktuellen Buch bereits in Erscheinung tritt: Doktor Jorge Oswaldo Muñoz. Es könnte eine ecuadorianische Familiensaga werden oder aber auch ganz woanders hinführen.

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© Margit Mössmer

Welche Bedeutung hat der Franz-Tumler-Literaturpreis für dich?
Ich fühle mich total geehrt, dass ich in dieser Runde mit tollen Autorinnen und einer so namhaften Jury dabei sein darf. Dabei sein ist alles. Just kidding, ich möchte gewinnen. Vor fünf Jahren habe ich beim Ö1 Literaturwettbewerb gewonnen, ich bin bereit für neue Freudentränen!

Was hast du gedacht, als du von deiner Nominierung erfahren hast?
Dass ich bereits gewonnen habe.

Steigert das Lesen der anderen nominierten Romane die Nervosität?
Kann ich nicht sagen, ich habe noch keinen gelesen. Allerdings habe ich mir Sandra Gugićs „Astronauten“ besorgt und freu mich schon drauf.


Vorstellung in Büchern

Nenne ein wichtiges Buch…

… aus deiner Kindheitbefunky_img_1915
Bimbulli von Mira Lobe und Susi Weigel. Ich habe mir so oft vorgestellt in einer Knopfschachtel – oder einem ähnlichen Boot – einen Fluss entlang zu treiben.

… aus deiner Jugend
Da hab ich nicht besonders gerne gelesen.

… aus deiner aktuellen Lebensphase
Alice Munro find ich gerade inspirierend, weil ich mir jetzt vorstellen kann wie einem das Schreiben mit über 80 Jahren noch immer Freude machen kann, das ist irgendwie beruhigend, dass man das theoretisch ewig machen kann. Außerdem hat diese Frau eine Beobachtungsgabe und einen Sinn für Dialoge, der zum Niederknien ist.

… das du dir für die Gegenwartsliteratur wünschen würdest, das aber noch nicht geschrieben wurde.
Es wird doch eh so viel geschrieben.

[Margit Mössmer – Die Sprachlosigkeit der Fische

Edition atelier

136 Seiten, 2015, gebunden, 16,95 €]

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