DSC_0014 [1009041]Eigentlich sollte dieser Beitrag ganz anders beginnen. Eigentlich wollte ich euch einen kleinen zusammenfassenden Überblick über die nominierten Romane des Franz-Tumler-Literaturpreises geben, damit ihr fröhlich weiter spekulieren könnt. Eigentlich wollte ich euch an unsere Verlosung erinnern, bei der ihr einen der nominierten Romane gewinnen könnt. Eigentlich hängt das nun Folgende auch mit dem Bisherigen zusammen, aber ganz uneigentlich sitze ich nun hier und blicke auf die Überschrift, die jegliche Planung zunichte machen wird. Ein kleines Gedankenallerlei zum Preisen der Literatur

Der Herbstanfang steht kurz bevor und mit ihm auch das große Hauen und Stechen in der Literatur. Zu kaum einem Zeitpunkt im Jahr werden derart viele Literaturpreise vergeben, sodass man als Leser schnell mal den Überblick verlieren kann. Der Buchhändler von nebenan ist da sehr nachsichtig mit mir als Leser. Ordentlich gestapelt liegen sie da auf einem extra Tischchen, auf dem zuvor noch die Nominierten des Ingeborg-Bachmann-Preises lagen: die Bücher zum deutschen Buchpreis. Denn sind wir doch mal ehrlich, mehr als zwei verschiedene Literaturpreise will doch niemand verfolgen. Haben sie auch einen Tisch für die Nominierten des besten deutschsprachigen Debütromans? Sie meinen den aspekte-Literaturpreis? Die Bücher haben wir nicht ausgelegt, der deutsche Buchpreis hat die höhere Reichweite bei unserer Leserschaft. Nach dem Franz-Tumler-Literaturpreis brauche ich wohl gar nicht zu fragen. Und doch gibt es sie, über 1000 Literaturpreise werden jährlich allein in Deutschland verliehen und jetzt im Herbst wirkt das Preisen fast wie das behördliche Dezemberfieber, bei dem die finanziellen Mittel noch schnell ausgegeben werden müssen, damit sie einem im Folgejahr nicht gekürzt werden. Ganz fair ist dieser Vergleich sicher nicht, denn viele Preise werden ja für das beste xxx-Buch des Jahres vergeben, da macht es sicherlich Sinn, die Vergabe des Preises ans Ende des Jahres zu stellen. Rein gefühlsmäßig bleibt mir der Eindruck vom Dezemberfieber allerdings erhalten.
Die schiere Überforderung angesichts der Preis-Flut zeigte sich mir dann sehr deutlich, als ich mich mit einer jungen Frau unterhalten habe, die sich, wie so viele andere, vor der Veröffentlichung der Longlist zum deutschen Buchpreis mit Spekulationen zur Longlist vergnügte. Wer wird wohl auf der Longlist stehen, allein diese Frage füllt etliche Blogs mit Beiträgen. Vielerorts wurde der Wunsch laut, Kristine Bilkau möge doch bitte mit ihrem Roman „Die Glücklichen“ auf der Longlist stehen. Die Enttäuschung unter den Spekulanten war verständlicherweise groß, als ebendiese Autorin auf der Liste fehlte. Meinen Hinweis, dass die Autorin zwar nicht auf der Longlist des deutschen Buchpreises stünde, dafür aber beim Franz-Tumler-Literaturpreis nominiert sei, wurde etwas widerwillig zur Kenntnis genommen. Die junge Frau erwiderte nach einem kurzen Recherchezeitraum: „Von dem Preis habe ich noch nie gehört. Ist der denn wichtig?“ Eine klare Antwort konnte ich ihr nicht geben, denn einmal mit dieser Frage konfrontiert, wirbelten meine Gedanken umher. Woran bemisst sich die Wichtigkeit eines Literaturpreises und was bedeutet „wichtig“ überhaupt? Wer entscheidet, ob ein Preis bedeutsam ist? Sagt die Höhe des Preisgeldes oder die Jurybesetzung etwas über die Qualität eines Preises aus?
Es gibt auf diese Fragen keine Universalantworten und ich möchte sie an dieser Stelle auch nicht bis ins Kleinste bearbeiten. Wie immer gilt auch hier: Es ist alles eine Frage der Perspektive. Viele Leser bemessen die Bedeutsamkeit eines Literaturpreises anhand seiner Reichweite und seiner Reputation in der Öffentlichkeit. Der gute Ruf eines Literaturpreises, der qualitativ hochwertige Texte auswählt, reicht angesichts einer schier ungeheuren Masse vergebener Preise allerdings lange nicht mehr aus. Durch die Flut der Vergaben kommt es zu einem Wertverfall der einzelnen Preise, vor allem wenn sie die gleichen Zielsetzungen und Merkmale verfolgen. Interessanter wird dann meist der Preis sein, der über das höhere Marketingbudget verfügt, weil dieser durch seine Mittel die Möglichkeiten hat, eine höhere Reichweite zu erzielen.
Das Marketing der einzelnen Preise ist daher unabdingbar, um dem Literaturpreis seinen Platz auf dem literarischen Feld zu erkämpfen und zu halten. Die wenigen bekannten und gut vermarkteten Preise haben ihren gesicherten Zulauf oder starke Sponsoren im Rücken, die ein großes Publikum auf mehren Kanälen erreichen können. Die anderen Preise, vor allem die kleineren Nischenpreise müssen sich ihr Publikum und somit auch die Aufmerksamkeit weitaus härter erarbeiten. Ohne hohe Reichweite und ein gelungenes Spektakel bleibt der Preis zumeist lediglich ein selten beachteter Punkt in der Vita eines Autors. Ohne das nötige Publikum sinkt die Bedeutung eines Preises rapide, viele Literaturpreise wurden daher sang- und klanglos wieder eingestellt. Vielleicht waren sie in ihrer Zielsetzung wichtig, vielleicht qualitativ bedeutsam, das Publikum brauchte sie entweder nicht oder hat sie schlichtweg nicht wahrgenommen.

Schaue ich mir die derzeitige Berichterstattung und die Programmpunkte der einzelnen Literaturpreise an, wird mir schnell klar, warum Kristine Bilkau auf der Longlist oder beim ZDF-aspekte-Literaturpreis eher interessant erscheint, als im Finale des Franz-Tumler-Literaturpreises. Und warum bisher ungewöhnlich wenig Leser an unserer Verlosung teilnehmen, während sie sich ihre Köpfe zur Longlist des deutschen Buchpreises wund spekulieren.

Wenn ich nun also fernab dieser Gedanken ganz idealistisch davon ausginge, dass es Literaturpreise gibt, um kulturelles Gut zu preisen, sie auszustellen, hervorzuheben und zu würdigen, müsste meine Antwort lauten: „Jeder einzelne Literaturpreis ist wichtig.“ Aber das ist nur die halbe Wahrheit und deswegen werde ich nichts dergleichen sagen, sondern einfach schweigen.
Ob der Franz-Tumler-Literaturpreis bedeutsam ist, werden sicherlich wieder andere entscheiden. Wichtig wird er durch das, was ihr daraus macht und wie ihr ihn wahrnehmt.

Der Franz-Tumler Literaturpreis wird11252173_910324319013511_5197048034071075469_n von der Gemeinde und dem Bildungsausschuss Laas für einen Debütroman vergeben, der im Zeitraum vom 01.01.2015 bis zum 15.05.2015 erschienen ist. Der Preis ist mit 8000 € dotiert, die von der Südtiroler Landesregierung gestiftet wird. Des Weiteren wird ein Publikumspreis vergeben, der in einem dreiwöchigen Aufenthalt der Künstlerwohnung am Rimpfhof besteht.
Die sechsköpfige Jury setzt sich aus der Wiener Literaturkritikerin Daniela Strigl, dem Schweizer Kulturpublizisten Manfred Papst, dem Südtiroler Literaturwissenschaftler Toni Bernhart und den Autoren Gregor Sander und Gerhard Ruiss zusammen.
Am 18. September 2015 werden die nominierten Autorinnen Sandra Gugic, Kristine Bilkau, Petra Hofmann, Gesa Olkusz sowie Margit Mössmer jeweils etwa 30 Minuten aus ihren Debütromanen lesen, anschließend wird der Text in der Jury öffentlich diskutiert.
Wir werden für euch vor Ort sein und berichten.

Bis zum 17. September um Mitternacht könnt ihr noch an unserer Verlosung teilnehmen.

4 Antworten zu „[Literaturpreis] Stell dir vor, ein Roman wird mit einem Literaturpreis ausgezeichnet und niemand bekommt es mit”.

  1. Hallo Janine,
    auch wenn ich wahrscheinlich zur Mehrheit der Longlist-Hörigen angehöre, kann man euer Engagement für den Fritz Tumler Preis nicht hoch genug loben. Vorstellung der einzelnen Bücher und Interview der Autoren ist ne Menge Arbeit und zollt mir Riesenrespekt ab. Da kann man nur sagen: weiter so und von den Großen Preisen nicht unterkriegen lassen.
    Liebe Grüße
    Marc

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    1. Hey,
      vielen Dank für das Lob und die netten Worte. Ich kann verstehen, was den Reiz des deutschen Buchpreises ausmacht, glaube aber, dass viele nicht kritisch genug mit derlei Dingen umgehen. Ich bin jedes Jahr aufs Neue erstaunt, wie sich vor allem die Blogger in ihren Spekulationen überschlagen und in aller Eile die Bücher verschlingen. Wenn man sich jetzt aber einmal überlegt, warum es überhaupt eine Longlist und eine Shortlist gibt, bekommt das Ganze für mich einen etwas bitteren Beigeschmack. Offiziiell ist da von einem mehrere Durchgänge umfassenden Auswahlverfahren die Rede, aber eigentlich ist es eine simple Marketingmaßnahme. Wenn ich per se schon einmal zwanzig Romane auf eine Liste stelle, habe etliche Multiplikatoren für die Öffentlichkeit. Und da das Publikum nicht wählt, hätte es doch auch gleich eine Shortlist geben können.
      Du siehst, mein Kopf will da keine Ruhe geben. Das betrifft aber nicht nur einzelne Preise, sondern das gesamte Konzept. Literaturpreise sind oftmals eben nicht Akt kultureller Nächstenliebe, sondern schlicht und ergreifend ein Geschäft.
      Liebe Grüße

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  2. Hat dies auf Lesen macht glücklich rebloggt und kommentierte:
    Und damit es jemand mitbekommt: Kristine Bilkau hat mit „Die Glücklichen“ gestern sogar gleich zwei Preise abräumen können. Den Franz-Tumler – Literaturpreis und den Klaus-Michael-Kühne-Preis. An dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an die Autorin und auch an den Blog „Das Debüt“ für die Mühe, die sie sich im Rahmen des Franz-Tumler-Literaturpreises gemacht haben.

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  3. […] erhielt Kristine Bilkau aber zwei Literaturpreise für ihr Debüt: den Franz-Tumler-Literaturpreis und den Klaus-Michael Kühne Preis. Gemessen an anderen Büchern, die auf der Longlist standen wie […]

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