[Unterwegs] Der Debütantensalon 2015 im TAK, Berlin

DSC02214Was kann man an nasskalten Herbstabenden besseres tun, als sich aus den bemerkenswertesten Debüts des Jahres vorlesen zu lassen? Wie bereits letztes Jahr besuchte ich den Debütantensalon im TAK Berlin am 16.11.15 im Rahmen des Stadt Land Buch Lesemarathons. Dieses Mal lasen Mirna Funk, Kat Kaufmann, Jackie Thomae, Mercedes Lauenstein und Samira Kentrić aus ihren Debütromanen. Leider musste ich aus persönlichen Gründen in der Pause gehen und verpasste dadurch Mercedes Lauenstein und Samira Kentrić.

Moderiert von Knut Elstermann und getragen von den ausgesprochen sympathischen Autorinnen erlebte ich einen humorvollen und anregenden Abend, was ich nach den Ereignissen am letzten Freitag in Paris auch dringend brauchte.

DSC02218Die Ostberlinerin und Jüdin Mirna Funk hat mit „Winternähe“ (S. Fischer) einen Roman über Identitätsfragen im heutigen jüdischen Leben geschrieben. An den Orten Berlin, Tel Aviv und Thailand wehrt sich die Protagonistin Lola gegen die Einordnung ihrer Identität durch andere. Die Autorin spricht mit ganz viel herzlicher Ironie von ihrem Buch, ihren Erfahrungen und bemüht sich dabei, nicht zu berlinern, denn sie und Knut wollten ja „intellektuell rüberkommen“ ;=). Der Titelbegriff „Winternähe“ sei ihrer Obsession für zusammengesetzte Substantive entsprungen und beschreibe eine besondere Form der Nähe. Der bewusst rotzige Ton im Roman und die große Komik, mit der sie ein schwieriges Thema literarisch verarbeitet, hat mich sehr neugierig auf das politische Buch werden lassen.
Ein ausführliches Interview von der Buchmesse mit Mirna Funk könnt ihr hier nachlesen.

DSC02225Nicht nur in der Presse werden „Winternähe“ und der Roman „Superposition“ von Kat Kaufmann (Hoffmann und Campe) häufig in Zusammenhang gesehen. Auch Knut Elstermann spricht die Parallelen zwischen den beiden Debüts an, die sich beide mit junger jüdischer Identität befassen. Die in St. Petersburg geborene Kat Kaufmann hat einen enorm selbstbewussten, erfrischend provokativen Roman geschrieben. Ihre Protagonistin Izy versucht sich vom Ballast der Geschichte zu befreien und schlägt als Mittel dafür nicht nur vor, einem Deutschen den Nazi rauszuvögeln… Der in Berlin verortete Roman spielt sich im Inneren des Kopfes der Protagonistin ab und setzt im Schreibstil auf flashbackartige Momente wie in Erinnerungen. Rhythmisch, dialogreich und sprachlich knapp gehalten verspricht „Superposition“ eine ausgefallene Lektüre voller intelligenter Bezüge zur Zeit und Fragen nach einem Zuhause zu werden.

DSC02230Vor der Pause las daraufhin Jackie Thomae aus ihrem Debüt „Momente der Klarheit“ (Hanser Berlin). Im Gespräch mit Knut Elstermann erläutert sie, dass „Momente der Klarheit“ jene Momente seien, in denen jemandem klar werde, dass sich etwas ändern müsse. Zäsuren, Wendepunkte im Leben, wie Trennungen oder die Entscheidung für die Abstinenz. So geht es in ihrem Ensembleroman mit umfassender Figurenanzahl auch vorrangig um Beziehungen, deren Ende, um Liebe und Tabus im zwischenmenschlichen Miteinander. Jackie Thomae erzählt ihre Geschichten vom Ende her. Bei ihrem Debüt stehen Dialoge und Situationskomik im Vordergrund, Szenen, aus denen heraus sich die tiefgehenderen thematischen Zusammenhänge erschließen.

© Juri Gottschall

Mercedes Lauenstein © Juri Gottschall

Nach der Pause las Mercedes Lauenstein aus ihrem Debüt „Nachts“ (Aufbau Verlag) und die Slowenin Samira Kentrić aus „Balkanalije“ (Beletrina) – stellvertretend für das Gastland Slowenien bei dem diesjährigen Lesemarathon. Diese beiden Debütantinnen konnte ich an diesem Abend leider nicht mehr lesen sehen und hören.

Copyright: privat

Samira Kentric Copyright: privat

Übrigens: Mercedes Lauenstein liest am 01.12.15 im Café Livres in Essen. Dort habt ihr die Möglichkeit, mehr von ihr und ihrem Debüt zu erfahren. Und: Ihr könnt uns eure Fragen an sie schicken! Im Anschluss gibt es von uns wieder einen Mitschnitt bzw. eine Tonaufnahme.

Ich fand den Abend im TAK wieder sehr gelungen und freue mich schon auf nächstes Jahr!

Ein Gedanke zu “[Unterwegs] Der Debütantensalon 2015 im TAK, Berlin

  1. Vergangenen Mittwoch war ich bei der Lesung von Aljoscha Brell im Café Livres, weil Sarah J so nett war, mich persönlich einzuladen, so dass ich´s nicht verpasst habe. Es war eine schöne Veranstaltung, nett moderiert von Bozena. Und: Aljoscha versprach mir, mir über den Ullstein Verlag ein Rezensionsexemplar seines Romans „Kress“ zukommen zu lassen, damit ich ihn auf meinem Blog https://indieautor.wordpress.com bespreche. Überaus entgegenkommend von ihm – der auch insgesamt recht sympathisch war. Jetzt bin ich gespannt, ob das Rezensionsexemplar auch wirklich bei mir ankommt… Die nächste Lesung mit Mercedes Lauenstein habe ich mir jedenfalls schon vorgemerkt, und ich werde versuchen, vor Ort zu sein. Eine schöne Veranstaltung ist das, die ihr da regelmäßig organisiert. Vielen Dank für euer Engagement!
    Herzlichen Gruß

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