Seit Wochen lesen wir fleißig die eingereichten Titel für „Das Debüt 2016″. Bis Anfang November werden wir aus diesen Titeln eine Shortlist erstellen, und aus dieser Shortlist werden dann die teilnehmenden Juryblogger „Das Debüt 2016“ wählen. Bislang besteht die Jury aus 19 Literaturbloggern, die wir nun vorstellen möchten.
Wenn du Literaturblogger bist und bei „Das Debüt 2016“ als Juryblogger noch mitmachen möchtest, schicke uns eine Nachricht (bloggerpreis@dasdebuet.de).
Hier der dritte Teil unserer Juryvorstellung:
Claudia Pütz von Das graue Sofa, Barbara H. Imruck von Aig an taigh und Tania Folaji von [iːbʊk] Elektro vs. Print
Claudia Pütz von Das graue Sofa
1) Kleine Vorstellung von euch und eurem Blog
Ich schreibe auf meinem Blog „Das graue Sofa“ seit 2013. Damals habe ich mich endlich getraut, mit einem Blog zu starten, dank wordpress ja auch eine einfache Sache, zu der ich keinen „großen Internetschein“ brauchte. Und endlich konnte ich – einerseits – über meine Leseeindrücke schreiben und – anderseits und genauso wichtig – darüber auch mit anderen Lesern zumindest elektronisch diskutieren. Mich interessieren vor allen die zeitgenössischen Romane und dann vor allem diejenigen, die sich auch mit den ganz aktuellen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen auseinandersetzen. Davon gibt es leider recht wenig. Aber ich warte und warte und warte immer noch auf den großen, wichtigen Roman, der die üblichen dysfunktionalen Anforderungen in ganz normalen Arbeitsverhältnissen nach allen Regeln der modernen Romankunst darstellt, auslotet und reflektiert. Wahrscheinlich bin ich da in guter Gesellschaft mit denjenigen, die immer noch auf einen neuen Goethe warten :).
2) Ein guter Debütroman …
ist umso erstaunlicher, als dass er schon eine richtig gute Geschichte erzählt, mit überzeugenden Figuren, spannenden Blicken auf das Thema und einer überzeugenden Form/Sprache. Er muss mich also eigentlich genauso überzeigen, wie ein Roman von einem schon bekannten Autor. Und wenn er mich dann packt, finde ich das eben umso beeindruckender. Eigentlich habe ich auch erst durch die Seite „Das Debüt“ meinen Blick ein wenig geschärft für Debütromane und suche nun auch ganz bewusst nach solchen Romanen. Dabei habe ich tatsächlich schon viele tolle Entdeckungen gemacht (s.u.). Und im Moment sind die Debüts die Romane, die oft viel eher über die Themen schreiben, die mich so umtreiben, als all die etablierten, bekannten, schon vielfach ausgezeichneten Autoren.
3) Debütanten genießen bei mir (keinen) Welpenschutz, weil …
ein Roman einfach überzeugen muss. Aber natürlich – das ist jetzt mein Lernprozess – schaue ich schon anders auf den Roman, wenn ich weiß, dass es ein Erstling ist, bin vielleicht schneller begeistert, vielleicht auch nachsichtiger in all den Punkten, die ich oben angesprochen habe, auf jeden Fall schneller beeindruckt.
4) Beim Lesen von Debütromanen reizt mich …
all das, was mich auch beim Lesen von Romanen etablierter Autoren reizt. Dabei, das habe ich ja oben schon angedeutet, scheinen mir Debüts gerade mehr die aktuellen Themen aufzugreifen, also das Thema des Fremdseins durch Autoren, die zugewandert sind und so diesen besonderen Blick auf die deutsche Gesellschaft haben, aber auch auf die ihres Herkunftslandes bzw. das ihrer Eltern. Das ist eine ganz wichtige, ganz neue Perspektive in der Literatur, oft auch mit einer sehr überzeugenden Sprachkunst verbunden. Ich denke hier an die Romane von Rasha Khayat und Shida Bazyar, die in diesem Jahr publiziert wurden. Auf der anderen Seite finden wir gerade bei den Debüts Romane, die sich mit der Situation immer problematischer werdenden Fußfassens in der Arbeitswelt beschäftigen, häufig von Protagonisten, die eine akademische Ausbildung haben und nun keinen Job finden und so in der Welt der studentischen Aushilfsjobs hängen bleiben. Welche Sorgen, welche Nöte das nach sich zieht, in einem Alter, in dem die Protagonisten doch auch endlich Sicherheit haben wollen für sich und eine Familie, in der sie aber ebenso auch ihre Kenntnisse und Ideen einbringen und umsetzen möchten, ihnen dies aber verweigert wird, das ist schon sehr berührend. In diesem Zusammenhang sind die Romane von Kristine Bilkau (im letzten Jahr) und Friederike Gösweiner zu nennen.
5) Vom Debüt 2016 wünsche ich mir …
dass der Wettbewerb den Blick auf Debütromane befeuert, dass wir auch mehr Bücher von unbekannten Autoren zur Hand nehmen und neugierig sind auf Autorennamen, die wir noch nicht kennen.
6) Der beste (oder überraschendste / enttäuschendste etc.) Debütroman der letzten Jahre ist für mich…
nicht wirklich zu benennen. Mir fallen da mindestens zwei Romane ein, die aus diesem Jahr stammen und mich sehr beeindruckt haben: Katharina Winklers „Blauschmuck“ (Rezension), eine an sich schon bedrückende Geschichte über die Formen und Mechanismen der häuslichen Gewalt, die noch dazu sprachlich beeindruckt. Und Shida Bazyars Roman „Nachts ist es leise in Teheran“ (Rezension), eine nicht nur tolle Geschichte über unterschiedliche Facetten des Fremdseins, sondern auch noch in solch poetischen Bildern erzählt, dass es eine Freude ist, den Roman zu lesen. Beiden Romane merkt man übrigens kein bisschen Debüt an, hier braucht es keinen Welpenschutz und keine anderen Rücksichtnahmen. Umso unerklärlicher (ich wiederhole es ja gerne J), dass keiner von beiden für den Deutschen Buchpreis berücksichtigt wurde.
Barbara H. Imruck von Aig an taigh
1) Kleine Vorstellung von euch und eurem Blog
Meinen Blog „Aig an taigh“, was in etwa soviel heißen soll wie „zuhause“, gibt es nun seit etwas mehr als drei Jahren. Damals wollte ich einfach nur einen schönen Ort erschaffen, an dem ich gelesene Bücher festhalte, mich an sie erinnern kann. Es hat sich allerdings schnell herausgestellt, dass ich nicht in der Lage bin, über alles zu bloggen, was ich lese oder was mich sonst aus dem Bereich des Lesens beschäftigt. Inzwischen ist Aig an taigh ein Ort, der zumindest mein Leseverhalten gut abbildet: ich bin nämlich keine Leserin, die sich einem bestimmten Genre verschrieben hat. Ich lese viele Jugendromane, stöbere mich durch die klassischen Autoren wie Kafka, Dostojewski oder Goethe, lese mit großer Leidenschaft „Familiengeheimnisromane“ und Belletristik im Allgemeinen.
2) Ein guter Debütroman …
… sorgt dafür, wie jeder andere Roman auch, dass ich recht schnell in eine andere Welt abtauche und mich freiwillig von ihr gefangen nehmen lasse. Er bringt mich zum Lachen, zum Weinen, zum Nachdenken und ich erinnere mich auch Jahre später noch an ihn zurück.
3) Debütanten genießen bei mir (keinen) Welpenschutz, weil …
Debütanten genießen bei mir genauso wenig Schutz, wie renommierte oder erfahrene Autoren. Entweder ich mag die ersten zwanzig Seiten eines Romans sowohl sprachlich, als auch inhaltlich oder nicht. Wenn nicht, dann wird das Buch zugeklappt und für beendet erklärt. Ob ich dann noch einmal ein Werk des Autoren in die Hand nehme, ist nicht immer so. Es kommt darauf an, ob ich schon einmal gute Erfahrungen mit anderer Lektüre von ihm machte. Eine besondere Ausnahme stellt hier Benjamin Lebert dar. Während mich sein Debütroman „Crazy“ damals überhaupt nicht überzeugen konnte, hat mich sein neuestes Werk „Mitternachtsweg“ absolut zu überzeugen gewusst! Hätte es allerdings nicht dieses wunderschöne Cover und den einfangenden Titel gehabt, hätte ich Lebert keine Chance mehr eingeräumt.
4) Beim Lesen von Debütromanen reizt mich …
… jeder Autor hat seine eigene Sprache, sein individuelles Denken, Fühlen und Erleben. Ich bin immer wieder offen und dankbar dafür, an dieser doch eigentlich sehr privaten Welt teilhaben zu dürfen. Und bei einem Debütroman eröffnet sich eine neue geistige Welt, die zuvor noch nicht offenbart wurde.
5) Vom Debüt 2016 wünsche ich mir …
… das Entdecken auch unerwarteter kleiner literarischer Wunder, die ich mir selbst vielleicht nie ausgesucht hätte, da mich Cover oder Klappentext nicht angesprochen hätten…
6) Der beste (oder überraschendste / enttäuschendste etc.) Debütroman der letzten Jahre ist für mich…
Das ist eine wirklich schwierige Frage. Es gibt so viele davon. Es ist kein deutschsprachiges Debüt: Eve Harris‘ Roman „Die Hochzeit der Chani Kaufman“ (Rezension) ist im vergangenen Jahr im Diogenes Verlag auf Deutsch erschienen und hat mich sofort in seinen Bann ziehen können:
Chani und Baruch sollen heiraten. Sie lieben sich nicht, denn sie kennen sich kaum. Chani hat vor Baruch einige potentielle Ehemänner ausgeschlagen und muß sich langsam entscheiden. Baruchs Mutter hätte gerne eine andere als Chani an der Seite ihres Sohnes. Allein schon, weil sie in der intelligenten, aufgeweckten Chani nicht die passende Frau für einen angehenden Rabbi sieht. Keine allzu guten Vorraussetzungen für einen gelungenen Start in das Abenteuer Ehe. Baruch selbst ist mehr als schüchtern und hat Angst, als Ehemann nicht bestehen zu können. Neben Chanis und Baruchs Geschichte tauchen wir ein in die Geschichte von Chaim Zilberman, Rabbi und seiner Frau Rebecca, Rebbetzin Zilberman. Sie haben einst aus Liebe geheiratet und die damals offene und lebensbejahende Rebecca hat sich dieser Liebe wegen den Zwänge seiner Religion unterworfen.
Der Roman beginnt mit der anstehenden Hochzeit, um dann unerwartet immer wieder in die jeweiligen Vergangenheiten der oben genannten Protagonisten zu springen und dem Leser deren eigene Geschichte in einer jüdisch-orthodoxen Gemeinschaft zu erzählen. Mich hat der Roman von Beginn an bewegt. Die Verwendung jiddischer Begriffe – die einem Glossar am Ende des Buches erläutert werden – hat eine dichte, real wirkende Atmosphäre entstehen lassen, so dass ich von der ersten Seite an das Gefühl hatte, Teil der Geschichte zu sein. Zu etwas Besonderem wurde dieses Buch jedoch dadurch, dass es Eve Harris gelang, eine spannende Geschichte zu schreiben, die einem wie nebenbei und selbstverständlich in eine völlig fremde Glaubenswelt entführt, die für junge Menschen wie Chani und Baruch noch heute ganz alltäglich ist und die ich mir als gänzlich westlich erzogene Frau ohne strengen Glauben kaum vorstellen kann.
Tania Folaji von [iːbʊk] Elektro vs. Print
1) Kleine Vorstellung von euch und eurem Blog
Mein Blog heißt Elektro vs. Print, auf dem ich mich fast ausschließlich mit E-Books, Neuerscheinungen, Trends und deren Wirkweisen beschäftige..
2) Ein guter Debütroman …
…hat die gleichen Merkmale wie ein guter Roman hinsichtlich Dramaturgie, Fabel, Figuren, Sprache. Gute Debüts können überraschen, im besten Fall sind sie Geschichten, bei denen ich im Lesen erkenne, wie sehr ich genau diese Geschichte, gerade jetzt, brauchte.
3) Debütanten genießen bei mir (keinen) Welpenschutz, weil …
…Weiß ich nicht. Hmm.
4) Beim Lesen von Debütromanen reizt mich …
… nie das Debüt, immer das Thema.
5) Vom Debüt 2016 wünsche ich mir …
…. einen wundervollen Überblick über die 2016er Debüts! Und dass wir im besten Fall nachverfolgen können, wie sich ein Autor entwickelt über die Jahre.
6) Der beste (oder überraschendste / enttäuschendste etc.) Debütroman der letzten Jahre ist für mich…
… Der Fuchs /Nis-Momme Stockmann// das enttäuschendste Romandebüt. Diese jugendliche Zerrissenheit, die Geschichte, die sich über Fuchs und seine Crowd erzählt, finde ich uninteressant, im Fuchs fast schon geschwätzig aufbereitet. Und das war mein größtes Problem: Da schreibt einer, der schreiben kann, der aber kein Interesse und m.E. keinen Willen aufbringt, seine Ideen auch mal auf den Prüfstand zu stellen, sie zu beherrschen, zu beschneiden. In Kritiken wurde oft das Feuerwerk an Sprache, Assoziationsketten beschworen, deren Überfülle empfand ich als den eigentlichen Mangel. Ich als Leseren hatte es mit einem schwatzhaften Autor zu tun. Ich konnte das Buch beim besten Willen nicht zu Ende lesen, es ging nicht.
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