Nun da die Shortlist unseres Literaturpreises feststeht, würden wir gerne auch die Autoren der ausgewählten Romane etwas besser kennenlernen. In Kurzinterviews möchten wir sie euch gerne vorstellen. (Wir haben noch nicht von allen Autoren eine Rückmeldung bezüglich des Interviews erhalten, hoffen jedoch, dass wir euch alle fünf Autoren vorstellen können.) Heute beginnen wir mit Uli Wittstock, der mit seinem äußerst unterhaltsamen Roman „Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf“ auf der Shortlist steht.

(c) Matthias Piekacz
Uli Wittstock wurde 1962 in Wittenberg geboren. Nach dem Abitur arbeitete er mehrere Jahre als Stahlschmelzer und studierte dann evangelische Theologie. Seit 1991 ist er als Journalist tätig, überwiegend für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk. 2010 erschien sein erster Lyrikband »Schwemmland«.
Wie lange hast du an dem Roman gearbeitet?
An dem Roman habe ich etwa zwei Jahre geschrieben, wobei die ersten einhundertfünfzig Seiten während eines Schreibstipendiums im Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop entstanden. Ich hatte eigentlich die Seite dreihundert für den letzten Satz reserviert, musste dann aber feststellen, dass die Figuren noch nicht bereit waren, sich zu verabschieden.
Wie schwierig gestaltete sich die Verlagsssuche?
Das war tatsächlich ein großes Problem. Von rund dreißig kontaktierten Verlagen gab es gerade mal sieben Rückläufe, die mit einer Ausnahme den Eindruck eines Standardbriefes erweckten und auch ansonsten recht ähnlich in ihrem Duktus wirkten: „Vielen Dank für Ihre Einsendung, aber leider… auf Grund… nicht unser Verlagsprofil… wünschen dennoch viel Glück…“ Ich glaube diese Ablehnungstexte stellen inzwischen eine eigene Literaturgattung dar, eine Sammlung von Beschwörungsformeln, um vor weiteren Zusendungen zu schützen. Letztendlich war es dann der Mitteldeutsche Verlag, der sich für das Manuskript interessierte, wohl auch auf Grund der regionalen Nähe.
Was war es für ein Gefühl, dein fertiges Buch in Händen zu halten?
Ich habe zuerst daran gerochen. Im ersten Moment dachte ich: Zu blass, wenig Korpus, dünne Plürre irgendwie. Aber das Buch lag schwer in der Hand und fasste sich auch gut an. Das hat mich dann versöhnt. Inzwischen finde ich den Geruch genauso großartig wie das Cover. Ich lese gelegentlich auch ein paar Seiten. Es gibt ein paar Sätze, die ich jetzt anders formulieren würde, aber im Großen und Ganzen bin ich noch immer zufrieden mit dem Ergebnis.
Warum schreibst du wie du schreibst?
Den Schreibkick erlebte ich mit sechzehn Jahren, als ich durch Zufall auf das Hörspiel „Unter dem Milchwald“ von Dylan Thomas stieß. In der Folge entstanden gedichtähnliche Texte, die diesen Sprachstil nachahmten und bis heute lese und schreibe ich auch Lyrik. Ich denke, das ist dem Roman auch anzumerken.
Wie kann man sich deinen Schreibprozess vorstellen?
Das ist recht unterschiedlich. Gedichte entstehen situativ, da reichen mitunter eine Bobachtung oder auch ein Wort aus, um eine Gedankenkette zu entwickeln. Über den Roman habe ich ziemlich lange nachgedacht und dann eine Struktur entwickelt. Während des Schreibens selbst hat sich an dem Plot nicht mehr viel geändert. Bei langen Texten setze ich mich erst vor das Laptop, wenn ich in etwa weiß, wie der Schluss klingen soll.
Gibt es Autoren und Bücher, die dich und dein Schreiben beeinflusst haben?
Keine leichte Frage. Grundsätzlich beeinflusst mich alles, was mir gefällt. Die großen postmodernen Erzähler aus den USA und Lateinamerika wären zu nennen und ihre osteuropäischen Widergänger. Und aktuell bin ich gerade von Cormac McCarthy fasziniert.
Ist ein weiteres Buch geplant?
Das nächste Buch soll Geschichten rund um das Essen vereinen und zwar um das Essen in der DDR, kleine böse Texte über „Rügener fischhaltige Paste“ und andere kulinarische Höhepunkte einer untergangenen Republik.
Vorstellung in Büchern
Nenne ein wichtiges Buch…
… aus deiner Kindheit
Hans Jürgen Press – Die Abenteuer der Schwarzen Hand
Eine Mischung aus Bilderrätsel und Wimmelbild mit kurzen Texten – als Geschenk meiner Westtante besonders wertvoll.
… aus deiner Jugend
Stanislaw Lem – Die Sterntagebücher
Phantastisch irre Erzählungen von rebellierenden Waschmaschinen, Menschen in Zeitschleifen und allen möglichen Ungeheuern, die ungeheuerliche Dinge machen. Und das ganze spielt im Weltraum, wobei der Leser immer den Eindruck hatte, dass dieser Weltraum irgendwie sehr sowjetisch war.
… aus deiner aktuellen Lebensphase
Wladimir Sorokin – Telluria
Ein Großwerk. Erzählerisch und sprachlich auf höchstem Niveau.
… das du dir für die Gegenwartsliteratur wünschen würdest, das aber noch nicht geschrieben wurde.
Ein Verschwörungsroman über die Morde an Alfred Herrhausen und Detlev Rohwedder, zwei Anschläge, die bis heute nicht aufgeklärt sind.