Wie bereits in den letzten Jahren möchten wir uns vor der Verkündung der Shortlist von ganzem Herzen bei allen teilnehmenden Autoren und Verlagen für das entgegengebrachte Vertrauen und die Aufgeschlossenheit gegenüber unserem Literaturpreis bedanken. Es war uns eine große Freude die eingereichten Titel zu lesen!
Nun soll das Warten aber ein Ende haben…
Aus 69 eingereichten Titeln (insgesamt 18.277 Seiten) haben wir eine Shortlist erstellt, die fünf Debütromane umfasst. Die Titel sind nach Einreichungsdatum aufgeführt:
Bettina Wilpert – nichts, was uns passiert
erschienen im Verbrecher Verlag
Begründung
„nichts, was uns passiert“ von Bettina Wilpert ist ein Roman der Stunde und schreibt sich in die Me-too-Debatte ein: Ein junger Mann. Eine junge Frau. Sie treffen sich auf einer Party. Es kommt zum Sex. Für den Mann ist es einvernehmlich,
für die Frau eine Vergewaltigung. In Form von Interviews, in einer nüchtern berichtenden Sprache versucht die Autorin die Geschehnisse dieser Partynacht zu rekonstruieren. Dabei weiß sie, den LeserInnen kein Urteil aufzuzwingen, sondern bringt sie dazu, vorgefertigte Bilder zu überdenken und andere, manchmal auch unbequeme, Positionen einzunehmen . Die LeserInnen begeben sich unweigerlich auf eine Suche nach der Wahrheit. In dieser besonderen Involviertheit der LeserInnen sowie in der komplexen Gestaltung von Thema und Figuren besteht der Reiz dieses Buches. Dieser Roman zeigt uns, dass es möglich ist, eine Geschichte zu erzählen, die eine literarische Kraft besitzt und gleichzeitig aktiv am gesellschaftlichen Diskurs teilnimmt.
Verena Stauffer – Orchis
erschienen bei Kremayr & Scheriau
Begründung
In Verena Stauffers „Orchis“ trifft man auf einen jungen Orchideen-Forscher, der dem Wahn verfällt. Was als spannende Beschreibung einer Expedi
tion in der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt, entpuppt sich bald als komplexes Vexierspiel, das einen in den Bann zieht. In poetischer Sprache, mit sinnlich präzisen Beschreibungen und einem liebevollen Blick auf ihre Figuren konstruiert die Autorin einen Roman, der über seinen Plot hinaus zu wirken weiß und über mehrere Bedeutungsebenen verfügt. Scheinbar mühelos lässt Stauffer Realität, Vorstellung und Symbolik zu einem einheitlichen Text verschmelzen, der nie die Leichtigkeit des Erzählens verliert. Abenteuerroman, Krankenbericht, historische Bestandsaufnahme, Wissenschaftsgeschichte: Stauffer zeigt, dass es manchmal eben nur eine Geschichte braucht, um zugleich viele zu erzählen.
David Fuchs – Bevor wir verschwinden
erschienen im Haymon Verlag
Begründung
Es sind große Themen, denen sich David Fuchs in seinem Roman widmet: Benjamin, ein angehender Arzt, trifft während eines Praktikums auf der Onkologie auf seine Jugendliebe Ambros. Der Autor schreibt über die
Liebe, den Tod und letztlich über das Leben: Themen, die lediglich einen schmalen Grat lassen zwischen Kitsch und Wahrhaftigkeit. Fuchs meistert diesen Balanceakt jedoch spielerisch und brilliert mit gekonnt gesetzten Leerstellen, einem Humor, der nie unangemessen wirkt und einer zutiefst ehrlichen Emotionalität. „Bevor wir verschwinden“ kommt ohne die üblichen Klischees aus. So wird die homosexuelle Beziehung als das beschrieben, was sie ist: eine Liebe zwischen zwei Menschen. Voller Zärtlichkeit schreibt er vom Abschiednehmen. Lakonisch, aber niemals distanziert. Mit Anteilname, aber ohne die Gefahr, zur Betroffenheitsliteratur zu verkommen. Selten wurde authentischer über das Verschwinden erzählt.
Marie Gamillscheg – Alles was glänzt
erschienen Bei Luchterhand
Begründung
Marie Gamillschegs Roman „Alles was glänzt“ rückt ein Dorf und seine Bewohner ins Zentrum des Geschehens. Viele sind es nicht, die dem Dorf geblieben sind,
seitdem das Erzbergwerk geschlossen wurde. Und da das Bergwerkmuseum außer Betrieb ist, bleiben auch noch die Touristen aus. Mit poetischen Bildern erschafft die Autorin eine besondere Atmosphäre des Niedergangs, aber auch der Hoffnung auf einen Neuanfang. Sie zeigt mit ihrem Text ein außergewöhnliches Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen und Missverhältnisse. Pointiert setzt sie Details und Motive und belebt so ihre Figuren und das gesamte Setting. Dieser Roman ist niemals trostlos und das liegt nicht zuletzt an Gamillschegs virtuoser Sprache. Es ist beeindruckend, mit welcher Souveränität die Autorin diesen vielstimmigen Text komponiert hat. Entstanden ist ein sehr kluger Roman, der leise und unaufgeregt über Bleiben, Gehen und Vergehen sinniert.
Christian Y. Schmidt – Der letzte Huelsenbeck
erschienen bei Rowohlt Berlin
Begründung
„Der letzte Huelsenbeck“ ist ein rasant erzählter Roman über das Scheitern der Sinnsuche eines mittelalten Mannes. Dabei entgeht Christian Y. Schmidt der Gefahr, sich in Geschichten zu verlaufen, die man bereits tausendfach gelesen hat. Mit einer
originellen Handlung, einer enormen sprachlichen Dichte, überzeugend lebensechten Dialogen und einem zuweilen skurrilen Humor, wirft Schmidt gekonnt tiefgründige existenzielle Fragen auf. Sehr eindrücklich zeigt er die Selektivität und Unzuverlässigkeit des menschlichen Erinnerungsvermögens, sodass sich der Mensch umfassend nur in der Erinnerung der Anderen spiegeln und erkennen kann. Die Anlehnung an literaturgeschichtliche und gesellschaftliche Phänomene sowie das schiere Aufgebot an popkulturellen Verweisen sind beeindruckend in ihrer Vielgestalt, überlagern das Geschehen aber nicht unangenehm. Schmidt glänzt vor allem im Verwirren und Überdrehen der Handlung, verliert jedoch nie die Kontrolle über seinen Text. Wie in einem Rausch, immer nah am Protagonisten, jagt man atemlos durch die Zeilen.
Aus diesen fünf Debütromanen wählen die teilnehmenden Literaturblogger ihren persönlichen Favoriten. Der Roman mit den meisten Stimmen wird als der beste Debütroman 2018 im Rahmen des Bloggerpreises für Literatur gekürt. Der Gewinner wird Anfang des Jahres auf dem Blog bekanntgegeben.
Uns interessiert natürlich auch eure Meinung dort draußen. Was haltet ihr von der Liste, welchen Roman hättet ihr die Shortlistnominierung gewünscht, habt ihr bereits Titel der Liste gelesen und wie haben sie euch gefallen? Wir freuen uns auf eure Kommentare.
Zusätzlich wird es in der Seitenleiste wieder eine Umfrage geben, bei der ihr eure Stimme eurem Favoriten geben könnt. Wir sind gespannt, wen ihr gewählt hättet.
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Eine schöne und was ich besonders interessant finde, sehr österreichische Liste, das Buch der Marie Gamilscheg https://literaturgefluester.wordpress.com/2018/11/23/alles-was-glaenzt/ wäre bis jetzt meine Favoritin und da finde ich es besonders spannend, daß ich das erst beim Lesen bemerkt habe und noch bei der österreichischen Debutpreisverleihung https://literaturgefluester.wordpress.com/2018/11/05/dritte-oesterreichische-buchpreisverleihung/ sehr erstaunt war, daß sie und nicht etwa David Fuchs https://literaturgefluester.wordpress.com/2018/11/07/bevor-wir-verschwinden/, der bis jetzt mein zweiter Favorit wäre, den Preis bekommen hat.
Eine Frage hätte ich noch, da ich vorige Woche Anja Kampmann „Wie hoch die Wasser steigen“ https://literaturgefluester.wordpress.com/2018/11/20/wie-hoch-die-wasser-steigen/ im Rahmen des deutschen Buchpreislesens gelesen habe und da darauf gekommen bin, daß das auch ein Debut ist, das zu meinem Erstaunen aber weder auf der Vorjahrs- wie ich eigentlich dachte, noch auf der heurigen Longlist steht.
Gibt es einen besonderen Grund dafür oder wurde es einfach vergessen?
Liebe Grüße aus Wien und jetzt werde ich gespannt, die zwei weiteren Bücher lesen, die mir von der Shortlist noch fehlen!
https://literaturgefluester.wordpress.com/2018/11/24/die-shortlist-des-bloggerdebutpreises/
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Liebe Eva,
es freut mich, dass dir die Liste gefällt.
Wir informieren die Verlage mehrfach im Jahr über den Preis, letztendlich liegt es aber natürlich bei ihnen, ob sie einen Roman einreichen oder nicht. Da sie den Titel nicht ins Rennen geschickt haben, findest du ihn auch nicht auf der Liste. Schade, aber für uns nicht zu ändern :)
Liebe Grüße
Janine
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