Auch in diesem Jahr möchten wir euch die Autor*innen der Shortlist in Kurzinterviews vorstellen. Wir beginnen die Reihe mit Angela Lehner, die mit ihrem Debütroman „Vater unser“ ins Rennen geht.
Angela Lehner wurde 1987 in Klagenfurt geboren, aufgewachsen ist sie in Osttirol und lebt derzeit in Berlin. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaft in Wien, Maynooth und Erlangen. Für ihren Debütroman „Vater unser“ ist sie mit dem Franz-Tumler-Literaturpreis, dem Alpha Preis und dem Debütpreis des Österreichischen Debütpreises 2020 ausgezeichnet worden.
Wie lange hast du an dem Roman gearbeitet?
Mit Lektorat: 4 Jahre
Wie schwierig gestaltete sich die Verlagssuche?
Zum Verlag bin ich über Umwege gekommen. Nämlich habe ich mir zu Beginn meines Schreibens gedacht, dass ich viele kleine fleißige Schritte machen werde, damit ich etwas vorzuweisen habe, wenn ich mich eines Tages auf die Verlagssuche mache. Ich habe bei so ziemlich jedem Nachwuchswettbewerb und jeder Ausschreibung mitgemacht. Der Rücklauf ist dabei manchmal ganz schön ernüchternd. Aber es hat sich gelohnt. Mein Name und mein Schreiben ist dann wohl irgendwann so häufig in den „richtigen“ Kontexten aufgepoppt, dass die Verlage und Agenturen von alleine auf mich aufmerksam geworden und auf mich zugekommen sind.
Was war es für ein Gefühl, dein fertiges Buch in Händen zu halten?
Klar, das ist der Moment, von dem man immer geträumt hat. Ausgekostet hab ich ihn ehrlichgesagt nicht. Einerseits gab es zu dem Zeitpunkt schon viel Medientrubel und Organisatorisches um das ich mich kümmern musste, andererseits denkt man dann gleich schon über die nächsten Schritte nach: Hab ich genug Lesungen? Wie schaff ich’s dieses und jenes Medium auf das Buch aufmerksam zu machen? etc. Ich werde das ganze letzte Jahr wohl erst sehr viel später realisieren. Ich stell mir vor, wie ich als Sechzigjährige mit meinem Dackel auf einer Wiese dahinspaziere, unter einem schönen Baum stehen bleib und rufe: „Super, ich hab ja ein Buch geschrieben!“
Warum schreibst du wie du schreibst?
Prägung? Erziehung? Ausbildung? Wer weiß.
Wie kann man sich deinen Schreibprozess vorstellen?
Ganz furchtbar ist das mit mir. Ich folge einer Stimme und daraus entwickle ich den Charakter. Wenn die Charaktere einmal stehen, schreibe ich viel nach meiner Stimmungslage. Ist es ein grantiger Tag, schreib ich was Grantiges. Das Ganze natürlich nicht chronologisch. Am Schluss habe ich dann einen Fleckerlteppich, den ich irgendwie zusammenbauen muss und verfluche mich selbst. Sapperlot, Angela, denk ich mir dann, warum kannst du nicht einmal was normal machen?
Gibt es Autoren oder Bücher, die dich und dein Schreiben beeinflusst haben?
Ich glaube, dass alles, was mich beeinflusst, automatisch eh auch mein Schreiben beeinflusst. Das kann dann auch ein augenöffnender Zeitungsartikel sein, der irgendwas in meinem Kopf zum Einrasten bringt oder einen neuen Gedanken anregt. Man ist ja leider ein Teil der Welt und als Schreiberling ein Filter von dem, was so um einen herum passiert.
Ist ein weiteres Buch geplant?
Theoretisch schon, aber die mediale Aufmerksamkeit, der Orga- und Reise-Kram, der mit einer Buchveröffentlichung kommt usw. stehen bei mir schon seit Längerem dem Schreiben im Wege. 2021 will ich mich ein bisschen aus den Medien zurückziehen und wieder mehr an tatsächlichen Projekten arbeiten. Wahrscheinlich werde ich dann aber erst recht nichts schreiben, sondern vor allem jammern, dass sich keiner für mich interessiert.
Vorstellung in Büchern:
Nenne ein wichtiges Buch…
… aus deiner Kindheit
Grimms Märchen
Hat mir meine Mama vorgelesen und es ging viel um Essen
… aus deiner Jugend
Harry Potter
Essen & Magie
… aus deiner aktuellen Lebensphase
Nadine Schneider – Drei Kilometer
Nadine und ich sind gegenseitig gewissermaßen die Patentanten für unsere Romane. In einer Schreibwerkstatt haben wir uns 2015 kennengelernt und uns seither gegenseitig zu unseren Texten beraten. Nadine war lange die erste Anlaufstelle für Texte aus „Vaterunser“ und ich wiederum die für „Drei Kilometer“. Dass wir jetzt im selben Jahr debütieren konnten und beide für denselben Preis nominiert sind, ist der Wahnsinn. „Drei Kilometer“ ist meiner Meinung nach eines der besten Bücher, die ich dieses Jahr lesen durfte und ich werde heuer damit so manchen lieben Menschen zu Weihnachten beglücken.
… das du dir für die Gegenwartsliteratur wünschen würdest, das aber noch nicht geschrieben wurde.
Hallo, alles ist schon da. Der Mainstream muss es nur noch merken.
Hardcover // 284 Seiten // 22 € // 978-3-446-26259-1