[Das Debüt 2021] Buchvorstellung: Flora S. Mahler „Julie Leyroux“ (Müry Salzmann Verlag)

Julie ist eine angesagte Kozeptkünstlerin, die bereits mit ihrer Abschlussarbeit international bekannt wird. Ihre Kunst ist rätselhaft, sie überrascht, hinterfragt und stellt der Gesellschaft immer wieder einen Spiegel vor die Nase. Doch auch wenn die ganze Welt Julie kennt und feiert, bleibt sie für ihre Mitmenschen stets nur eine offene Frage, die in Mahlers Roman aus drei verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird.

„Fünf bis sieben Minuten Anfang August 2020 in einer Halle in Brüssel

Beziehungen zu Kunstwerken folgen den Gesetzen aller Beziehungen, die durchlaufen Phasen. Die einen vergisst man, an andere erinnert man sich, für manche schämt man sich, auf einzelne ist man stolz.
Und dann gibt es die eine. An ihr hat man gelitten. Weil man nicht verstanden hat, warum ihr Glück so fordernd ist. Und nicht gewusst: es kommt kein größeres nach.


Dass meine erste Reise nach einem reiselosen halben Jahr ausgerechnet Brüssel zum Ziel hatte, hat mit so einer seltenen, glücklich-unglücklichen Liebe zu einem Kunstwerk oder besser einer Künstlerin zu tun.“

Klappentext:

Julie Leyroux ist eine der angesagtesten Konzeptkünstlerinnen. Ihre Wiener Galeristin Ann hat sie groß gemacht. Längst spielt Julie in der internationalen Topliga, Ann wird zunehmend zum Klotz am Bein. Julie Leyroux ist vor allem auch ein weiblicher Don Juan – sie verführt allerdings nicht nur, sondern kann auch lieben. Sehr sogar. Mona zum Beispiel, mit der sie an der Wiener Akademie am Schillerplatz Kunst studiert hat. Und Julie ist Schwester, Halbschwester eigentlich, des Pariser Philosophieprofessors Robert; mit Julie kam eine Kraft in sein Leben, die er ihr am Ende zurückgeben kann. Mona, Ann und Robert: Sie erzählen ihre Geschichten mit Julie Leyroux, deren Fäden sich nach und nach zu einem großen, mitreißenden Tableau verweben.

Fabelhaft gelingt Flora S. Mahler mit ihrem Erstling eine Nahaufnahme des Kunstbetriebs, eine authentische Innenschau der Gefühls- und Arbeitswelten der Thirtysomethings – ein Roman, der mit den naheliegenden und zugleich großen Themen des Lebens berauscht: der Liebe, der Arbeit, dem Tod und dem Weltall. Quelle: Müry Salzmann Verlag

Julie Leyroux ist – ähnlich wie ihre Kunstwerke – eine fiktive Figur, die erst in diesem Roman zum Leben erweckt wurde. Sie provoziert, fordert heraus und verführt. Dennoch kommt sie in dem Roman kaum zu Wort, außer, dass ihre Kunst für sie spricht. Und diese Spricht zum Teil eine kritische Stimme – wie z.B. bei der social sculpture „Kaviar Massaker“, die sich erst in einem dem mythologischen Bakchanten ähnlichen Verzehr des Ausstellungsstückes durch die Ausstellungsbesucher entfaltet. Dass Julie ihre eigene Perspektive nicht präsentiert, macht einen Reiz des Romans aus, indem die Leser*innen dazu eingeladen werden, sich auf die Suche nach der wahren Julie zu begeben. Gezeichnet wird diese aus drei Perspektiven: Zunächst aus dem Blickwinkel von Mona – ihrer Kommilitonin und der heimlichen Liebe, dann aus der Perspektive der Galeristin Ann, die erheblich zu Julies Erfolg beigetragen hat, und last but not least aus der Perspektive von Robert, ihrem Pariser Halbbruder. Der Roman ist in drei Kapitel aufgeteilt, die jeweils einer Perspektive zugeordnet sind. Doch ähnlich wie sich die Figuren auch untereinander immer wieder begegnen, wechseln die Perspektiven trotz dieser äußeren Struktur hin und wieder zwischen den Figuren. Ein wenig verwirrend erscheint außerdem zunächst die Entscheidung, die Namen einiger weniger wichtigen Figuren auf den ersten Buchstaben zu begrenzen. Damit wird nämlich in den Roman eine neue Figurenebene eingeführt, die jedoch – zumindest nach meinem Empfinden – nicht immer konsequent genug durchgezogen wird, was dem Roman allerdings keinen Nachteil bringt. Des Weiteren bedürften manche Textstellen keiner weiteren Auflösung im Roman, wie z.B. das am Anfang des Romans erwähnte Interview der Künstlerin, das gegen Ende des Romans in voller Länge von Robert wiedergegeben wird. Eine spannende Frage, die sich durch den ganzen Roman durchzieht und von unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird, ist diejenige nach der materiellen Seite einer Künstlerexistenz. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Flora S. Mahler mit ihrem Romandebüt eine schöne Geschichte über das in der Literatur nach wie vor wenig behandelte Künstlermilieu vorgelegt hat, eine Geschichte, die nicht nur Kunstliebhabern gefallen könnte, sondern allen, die gerne über zwischenmenschliche Beziehungen lesen.

Bozena Badura im Gespräch mit Flora S. Mahler (09.08.2021)

Hier geht es zur Internetseite des Verlags.


Flora S. Mahler

geboren 1975 in Wien, Studium der Philosophie und Germanistik. Publikationen in Anthologien und Zeitschriften u. a. „Lose Blätter“, „die Rampe“. Seit 2005 Arbeit als bildende Künstlerin im Kollektiv Asgar/Gabriel. Zahlreiche Ausstel- lungen, darunter National Gallery of Victoria (Melbourne), Torrance Art Museum (Los Angeles), Kunsthal Rotterdam, Kunsthallen Brandts (Odense). Julie Leyroux ist ihr erster Roman.


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