„Das Debüt“ ist ein Gemeinschaftsprojekt, das sich den neuen Stimmen des Literaturbetriebs widmet. Nun wurden wir dazu eingeladen, selber nach einer solchen zu suchen, und zwar im Rahmen des Blogbuster-Wettbewerbs 2018, dessen Ziel es ist, einem Manuskript zu einer Veröffentlichung zu verhelfen. Bewerben durfte sich bis Ende 2017 jeder/jede, der/die ein fertiges Manuskript in der Schublade hat und vom eigenen Namen auf dem Buchcover träumt.Seit den 1990er Jahren setzte sich in der Gegenwartsliteratur allmählich und fast unbemerkt die Neue Deutsche Lesbarkeit durch, die vor allem – und vereinfacht dargestellt – in Abgrenzung zu der sperrigen Nachkriegsliteratur um eine leichte Lesbarkeit der Texte kämpfte. Doch die Fokussierung auf die angenehme Gestaltung der Sprachebene des Textes sowie auf die spannende Handlung hat einen hohen Preis, denn so geht zuweilen die Tiefendimension der Texte verloren. Dies ist zugleich symptomatisch für viele der uns überlassenen Manuskripte. Unter ihnen gab es durchaus interessante Geschichten, doch viele von ihnen wurden entweder auserzählt oder einfach flach, sodass nach der Lektüre meist nur diese eine erzählte Geschichte übrigblieb und nichts, worin man sich vertiefen, was einen zum Weiter(nach)denken inspirieren könnte. So vermochten es die meisten Geschichten leider nicht, uns zu neuen Gedanken anzuregen. Die meisten haben uns nach der erfolgten Lektüre spurlos verlassen. Leider keine gute Voraussetzung für „gute Literatur“…

Insgesamt wurden uns 14 Manuskripte von Autoren und Autorinnen anvertraut, wofür wir uns an dieser Stelle bei allen Teilnehmenden herzlich bedanken. Jede Bewerbung bestand aus einem Exposé und einer Textprobe, durch die wir uns in den vergangenen Monaten durchgearbeitet haben. Wir haben gelesen, reflektiert und unsere Meinungen ausgetauscht. Schließlich haben wir uns entschieden, drei komplette Manuskripte anzufordern. Drei sehr unterschiedliche Geschichten.

Zur Veröffentlichung schlagen wir „Die langen Arme“ von Sebastian Guhr vor, der ironischerweise kein Debütant mehr ist, wovon wir allerdings erst im Nachhinein erfahren haben.

Sebastian Guhrs „Die langen Arme“ erzählt eine Geschichte zweier Schwestern – Yvette und Antje. Es ist eine interessante Mischung aus Magischem Realismus, einer Coming-of-Age-Geschichte und einer subtilen Gesellschaftskritik, die jedoch zutreffender als eine Gesellschaftsreflexion apostrophiert werden sollte. Neben der lockeren Sprache und der konventionell-unkonventionellen Handlung sind es die Figuren, die eine gewisse Frische in diesen Text einbringen. In einem auf gesellschaftliche Homogenität pochenden politischen System sind die Mädchen Außenseiterinnen, vor allem, weil sie unkonformistischen Interessen nachgehen. Die jüngere Schwester – Yvette – ist Syntästhetikerin und ihr Hobby Geruchsinstrumente zu spielen, die aus Tierkadavern gebaut werden und statt Töne Gerüche erzeugen. Antje – die Ich-Erzählerin dieses Romans – entdeckt ein Tunnelnetz, das sich unter der Stadt erstreckt und das ihr erlaubt, das Leben der Anderen unbemerkt zu beobachten, wodurch sie u.a. mit den Schattenseiten der ehemaligen DDR konfrontiert wird. Eines Tages kommt die politische Wende, die mit einer privaten Wende im Leben beider Schwestern einhergeht.

Warum haben wir uns für diesen Text entschieden? Er ist nicht nur witzig geschrieben, sondern bietet dem Leser durch seine ironisch-distanzierte Darstellungsweise, sobald man nur bereit ist, sich auf diesen Text einzulassen, eine weitere Bedeutungsebene, die zu entdecken und zu interpretieren, ein einzigartiges Leseerlebnis bereitet. Wir drücken Sebastian Guhr die Daumen!


Portraitfoto Sebastian GuhrSebastian Guhr

1983 in Berlin geboren, Studium Philosophie und Germanistik. Der Roman “Die Verbesserung unserer Träume“ ist im Herbst 2017 im Luftschacht Verlag erschienen. Zurzeit Stipendiat der Lydia-Eymann-Stiftung Langenthal/Schweiz.

„Die langen Arme“ – Exposé

Leseprobe

 

 

 

Eine Antwort zu „„Die langen Arme“ von Sebastian Guhr – unser Vorschlag für die Longlist bei Blogbuster 2018”.

  1. […] Arme” auf der Longlist des Blogbuster-Preises gelandet. Empfohlen wurde er dafür von den Bloggerinnen von Das Debüt. Herzlichen […]

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