Ein spannendes und umfangreiches DebütantInnenjahr liegt hinter uns. 90 Debütromane wurden für den diesjährigen Preis eingereicht, wir haben uns durch etliche Seiten gelesen und eine Shortlist aus fünf Titeln erstellt. Nun hat unsere BloggerInnenjury über „Das Debüt 2023“ entschieden:

Der Bloggerpreis für Literatur „Das Debüt 2023“ geht mit insgesamt 24 Punkten an Tomer Dotan-Dreyfus für seinen Debütroman „Birobidschan“. Das Team von „Das Debüt“ gratuliert herzlichst!

Hier einige Auszüge aus den Begründungen der BloggerInnen:

Patrick Linke: Tomer Dotan-Dreyfus webt mit leichter Hand in einer sehr schönen Sprache an einem Teppich von Familien-, Liebes und Leidensgeschichten aus einem ganzen Jahrhundert. Das hat mir sehr gut gefallen.

Björn Schäffer: „Birobidschan“ wird zum narrativen Treffpunkt, schafft Konjunktionen zwischen Anatevka-Motiven, Murakami-Erzähltraditionen und Netflix‘ „Dark“-Ästhetik. Ein äußerst gelungener, ansprechender und kluger Mix, den Tomer Dotan-Dreyfus uns da auch sprachlich blitzgescheit präsentiert, und gleichzeitig ein Stück Zeitgeschichte, das die Repräsentation einer jüdisch-sozialistischen Minderheit im tiefsten Russland zwischen zwei Buchdeckeln bannt.

Katja Plifke: Das Storytelling hat mich von der ersten bis zur letzten Seite abgeholt […]

Marco Lombardi: Die große erzählerische Leistung des Autors besteht für mich darin, stets den Überblick zu haben und seine Leser:Innen gekonnt an der Hand durch den Roman zu führen. Er erzählt uns von einer anderen, unbekannten Welt, welche voll ist mit Menschlichkeit in all ihren Facetten. Die historischen Hintergründe benötigt es dazu nicht. Esprit und eine Portion Humor runden diesen herrlichen Roman ab.

Fabian Neidhardt: Die Geschichte eines utopischen Ortes, der tatsächlich existiert, voller melancholischer Sprache und skuriler Figuren.


Mit lediglich einem Punkt weniger in der Wertung belegt Grit Krügers Roman „Tunnel“ den zweiten Platz:

Sandra Doods: Insgesamt ist “Tunnel” ein beeindruckendes Debüt, das nicht nur durch seine ästhetische Gestaltung, sondern auch durch seine emotionale Tiefe überzeugt. Mit “Tunnel” hat Grit Krüger einen Roman geschaffen, der eine einzigartige Stimme in der Literaturlandschaft etabliert und sicherlich noch lange im Gedächtnis der Leser bleiben wird.

Thomas Stöck: Tunnel hat in mir eine Traurigkeit ausgelöst, die nur von der Achtung vor dem Durchhaltewillen von Mascha, Tinka und Herrn Tomsonov überboten wird.

Marco Lombardi: Der Roman ist gefühlvoll, atmosphärisch, der Sprachfluss rasant, schnell, treibend. Ohne es direkt anzusprechen, werden einige Symptome unserer Gesellschaft skizziert, die ein tatsächliches Problem für viele Menschen sind. […] Es ist dieser unkonventionelle Mix aus tragischem Inhalt und der sehr gelungenen Sprachführung, welche mich diesen Roman nicht vergessen lässt, sich einbrennt.


Mit 17 Punkten landet Magdalena Saiger mit ihrem Roman „Was ihr nicht seht oder Die absolute Nutzlosigkeit des Mondes auf dem dritten Platz:

Patrick Linke: Dieser hochartifizielle Text hat mich am meisten überzeugt und begeistert. Magdalena Saiger hat manchmal zum Weinen schöne Bilder in einen verschachtelten und ganz wunderbaren Antiheimat- und Kunstroman gebettet.

Isa Tschierschke: Die wilde Mischung verschiedener Details und Quellen […] ist keine leichte Lektüre. Erholung bietet, wie so oft, die Natur. Die Metaphern für das, was man im Namen der Industrie dem Wald antut, sind außergewöhnlich schön.

Thomas Stöck: Andererseits ist dieser Romanerstling von einer unnachahmlichen Schönheit durchzogen. Auf praktisch jeder Buchseite stolpert man über diese im Sprachalltag selten anzutreffenden Wörter, die pfauengleich ihr Federkleid in Buchstabenform auffächern. […] Eine Augenweide vom ersten bis zum letzten Wort.

ALexander Carmele: Ein imaginärer Befreiungsschlag, der weniger narrativ, plottechnisch, als expressiv überzeugt. Kollage einer surrealistischen Fahrt ins Freie.


Den vierten Platz belegt Jenifer Becker mit ihrem Debütroman „Zeiten der Langweile“:

Alexander Carmele: Zeiten der Langeweile besticht durch eine erbarmungslose Diktion, die das eigene Gedächtnis mittels Sprachunterwanderung zu löschen versucht.

Sandra Doods: Besonders beeindruckend ist Beckers Fähigkeit, ein so aktuelles Thema aufzugreifen und es gleichzeitig auf eine universelle Ebene zu heben, sodass sich Leser jeden Alters und Hintergrunds damit identifizieren können. Die Handlung pendelt geschickt zwischen Melancholie und Hoffnung, und die Suche nach Freiheit und persönlicher Erfüllung ist ein zentrales Motiv, das den Leser lange nach dem Zuklappen des Buches begleitet.


Viktor Gallandi belegt mit seinem Debütroman „Kaspar“ den fünften Platz:

Sandra Doods: „Kaspar“ ist schmerzhaft genau, wahnhaft grotesk und von geradezu manischer Kraft. Es ist eine Geschichte, die existenzielle Fragen aufwirft und den Leser auf eine emotionale Achterbahnfahrt mitnimmt. Insgesamt ist „Kaspar“ ein beeindruckendes Debüt, das nicht nur durch seine Originalität und Kreativität besticht, sondern auch durch seine tiefgreifende Menschlichkeit. Viktor Gallandi hat mit diesem Roman eine einzigartige Stimme etabliert, die sicherlich noch lange nachhallen wird.

Björn Schäffer: Gallandi spürt Existenzfragen nach, lässt Kaspar durch kafkaeske Bürokratieschlachten mäandern, stellt ihm beckettsch-absurde Sidekicks an die Seite und verliert trotz aller Aberwitzigkeit niemals das Ziel der Suche aus den Augen […] Mit luzidem Flackern erhellt nur Kaspar diese Welt – und spendet damit finalen Trost! Eine knallig-chargige Lesereise mit erstaunlich philosophischem Tiefgang!

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