Bevor wir zur Verkündung der Shortlist kommen, möchten wir uns von ganzem Herzen bei allen teilnehmenden Autoren und Verlagen für das entgegengebrachte Vertrauen und die Aufgeschlossenheit gegenüber unserem neuen Literaturpreis bedanken. Es war uns eine große Freude die eingereichten Titel zu lesen und wir sind sicher, dass wir einige der Titel abseits von diesem Preis sicher auf die ein oder andere Weise noch würdigen können.
Nun soll das Warten aber ein Ende haben…
Aus 50 eingereichten Titeln haben wir eine Shortlist erstellt, die fünf Debütromane umfasst. Die Titel sind nach Einreichungsdatum aufgeführt:
Katharina Winkler – Blauschmuck
erschienen bei Suhrkamp
Begründung:
Mit „Blauschmuck“ hat Katharina Winkler ihren nach einer wahren Geschichte entwickelten Debütroman vorgelegt. Der Roman erzählt aus radikaler Ich-Perspektive von einem Mädchenleben in einem kurdischen Dorf in der Türkei. Er erzählt von der Unmündigkeit von Frauen, ihrer psychischen Abhängigkeit von Ehemännern, die sich durch die gesellschaftlich verliehene Macht innerhalb einer Hochzeitsnacht von romantischen Liebhabern in schlagende Monster verwandeln können. Die Diskrepanz zwischen den Träumen der Protagonistin und der Welt, in der sie lebt, könnte nicht deutlicher dargestellt werden. „Blauschmuck“ ist ein Roman über die kulturabhängige Sicht auf die – in schmerzlichen Bildern beschriebene – häusliche Gewalt. Die größte Stärke in Winklers Sprache ist die Verquickung zwischen Nüchternheit und bildreicher Poesie. Durch seine karge und zugleich flirrende Sprache fängt der Roman die Emotionen gekonnt ein. Mit treffsicher gewählten Metaphern, die unter die Haut gehen, schafft die Autorin eine Atmosphäre von ungeheurer Wucht, die den Leser noch lange Zeit nach der Lektüre nicht loslässt.
Shida Bazyar – Nachts ist es leise in Teheran
erschienen bei Kiepenheuer & Witsch
Begründung:
Shida Bazyars Roman „Nachts ist es leise in Teheran“ ist eine Familiensaga im Kleinen, die generationsübergreifend über drei Jahrzehnte, von 1979 bis 2009, angelegt ist. Der Roman ist geprägt durch sensible und psychologisch fein ausgearbeitete Figurenzeichnungen, die auch in der Sprache ihren Ausdruck finden. Einfühlsam und aus verschiedenen Perspektiven wird über Flucht, Ankommen in der Fremde sowie das Entdecken einer fremden Heimat erzählt. Die Multiperspektivität ist eine der großen Stärken dieses Romans, denn so gelingt Bazyar ein eindrucksvolles Panorama von komplexen Themen wie Flucht, Integration und dem Leben zwischen zwei Kulturen. Mit einer Stimme, die zugleich poetisch und glasklar ist, macht der Roman Menschenleben sichtbar, die zu oft hinter Statistiken oder Zeitungsnotizen versteckt werden. „Nachts ist es leise in Teheran“ ist durchdrungen von der aktuellen Wirklichkeit, ohne jemals die Hoffnung auf eine bessere Welt aufzugeben. Auch deshalb ist es ein Buch der Stunde.
Philip Krömer – Ymir oder: Aus der Hirnschale der Himmel
erschienen im homunculus Verlag
Begründung:
„Ymir oder Aus der Hirnschale der Himmel“, der Debütroman von Philip Krömer, gehört zu der Sorte von Romanen, die eine leicht distanzierte Erzählhaltung mit ironischem, wenn nicht sarkastischem, Unterton verbindet, und erinnert entfernt an Romane von Jules Verne oder gar Walter Moers. Was als eine Geheimmission im Auftrag der SS in Island beginnt, entpuppt sich schnell als Satire und schließlich als Dekonstruktion der nationalsozialistischen Rassenideologie. Die Innovation des Romans begrenzt sich dabei nicht nur auf die ausgefallene Rahmenhandlung, sondern auch auf weitere erzähltheoretische Elemente, wie z.B. eine direkte Ansprache des Lesers, wodurch ein interessanter Kontrast der subjektiven, klassisch-deskriptiven Erzählperspektive zu den experimentellen Zügen des Romans entsteht. Unsere Gegenwart braucht literarische Stimmen wie die von Philip Krömer: mutig, intelligent, wahnsinnig witzig, gleichzeitig messerscharf und politisch.
Sonja Harter – Weißblende
erschienen im luftschacht Verlag
Begründung:
Bei Sonja Harters Debütroman „Weißblende“ handelt es sich um eine moderne Lolita-Geschichte. Es ist ein Roman über das Fremdsein, im eigenen Land, in der Gesellschaft, in der Familie und in sich selbst. Das Fremde dringt in Form des eingemieteten Franzosen, der als Inbegriff der körperlichen Liebe gesehen werden kann, in die Familie ein. Dies führt im Handlungsverlauf dazu, dass das ursprünglich Gute in einer Katastrophe endet. Inmitten des Idylles der Alpenlandschaft, vor dem die kapitalistisch orientierte Gesellschaft keinen Halt mehr macht und dadurch die Diskussion um die Natur-Kultur-Dichotomie aufs Neue entfacht, beginnt eine Suche nach der Mutter und dem Vater, die letztendlich zum Vaterersatz führt. Unschuld und Schuld kontrastieren dabei miteinander. Der Roman spricht ein Tabu an, das seit Nabokovs epochaler Geschichte ganz andere Dimensionen angenommen hat. Über Kinderschändung wird hin und wieder berichtet – meist als die nächste Sensation des Tages, wie dies auch im Roman am Beispiel Jasmin thematisiert wird. Doch nicht nur seine Thematik macht den Roman preiswürdig. Denn durch eine Verknüpfung der zwei Erzählstränge, schafft es die Autorin den Leser mit seinen Leseerwartungen lange im Unklaren zu lassen und gleichzeitig Spannung aufzubauen. Vor allem sprachlich weiß die Autorin zu überzeugen, trotz ihrer bisherigen Laufbahn als Lyrikerin hält sie in der langen Form gekonnt die Balance zwischen assoziativen und vorantreibenden erzählerischen Momenten.
Uli Wittstock – Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf
erschienen im mitteldeutschen Verlag
Begründung:
Uli Wittstocks Debütroman “Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf” ist ein Roman, der sich nicht mit einem Genre oder einem generellen Thema begnügt. Vom erdrosselten Funkhausmoderator über korrumpierte Politiker hin zum Bienensterben findet sich in „Weißes Rauschen“ eine beeindruckende Vielfalt an Themen, die summiert das Porträt einer ostdeutschen Provinz abbilden. Und das ist alles andere als farbenfroh: Man kennt sich und macht miteinander Geschäfte, jeder ist auf seinen Vorteil aus und strebt nach Profit oder Macht. Ein simples Gefüge, das der Autor jedoch mit vereinzelten Störmomenten durchbricht und das scheinbar gut funktionierende Modell des Lebens in diesem Landstrich ad absurdum führt. In beißend ironischem Ton und mit schwarzem Humor legt Wittstock die Finger in die Wunden eines kleinbürgerlichen Idylls. Er scheut weder ein ungeheures Aufgebot an Personen noch surreale Elemente und im Vergleich zu vielen anderen Debütanten, die derart ausufernd konstruieren, scheitert er nicht daran. „Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf“ ist ein wilder Ritt durch menschliche Abgründe und dabei vor allem eines: Unterhaltsam.
Aus diesen fünf Debütromanen wählen die teilnehmenden Literaturblogger ihren persönlichen Favoriten. Der Roman mit den meisten Stimmen wird als der beste Debütroman 2016 im Rahmen des Bloggerpreises für Literatur gekürt. Der Gewinner wird am 15. Dezember auf unserem Blog bekanntgegeben.
Uns interessiert natürlich auch eure Meinung dort draußen. Was haltet ihr von der Liste, wwelchen Roman hättet ihr die Shortlistnominierung gewünscht, habt ihr bereits Titel der Liste gelesen und wie haben sie euch gefallen? Wir freuen uns auf eure Kommentare.
Zusätzlich gibt es ab sofort in der Seitenleiste eine Umfrage, bei der ihr die nächsten sieben Tage eure Stimme eurem Favoriten geben könnt. Wir sind gespannt, wen ihr gewählt hättet.
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