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(c) privat

Katja Schraml wurde 1977 in Bayern geboren. Nach einer Lehre als Bauzeichnerin versuchte sie sich an ersten Gedichten und Zeichnungen. In Würzburg studierte sie neuere deutsche Literatur, Sprachwissenschaft und Soziologie. Es folgen erste Erzählungen und Fotografien. 2007 zog sie nach Berlin, wo sie derzeit lebt und seit einigen Jahren bereits in der Veranstaltungsorganisation tätig ist. 2015 erschien ihr Debütroman Josef der Schnitzer Stumpf.

Der Roman ist sprachlich eine der gewagtesten Veröffentlichungen unter den Debütromanen des letzten Jahres. Der Leser folgt zwei Erzählstimmen, die die Geschichte eines jungen Mannes begleiten, der durch einen Umzug nach Berlin einer dörflichen Enge  entfliehen will. In waghalsigen Sprachmanövern schildert Katja Schraml von der vergeblichen Flucht eines Mannes vor seinen eigenen Dämonen und der ewigen Suche nach einem Platz in dieser Welt.

Die Rezension findet ihr demnächst bei uns.


Wie lange hast du an dem Roman gearbeitet?

Mit Unterbrechungen und Auf- und Abphasen etwa 7 Jahre.

Wie schwer gestaltete sich die Verlagssuche?

Ich fand tatsächlich oft eher, dass mein Buch zu einem Verlag gepasst hätte, als der entsprechende Verlag – und begann irgendwann an allem zu zweifeln. Bis Klaus Jans vom KUUUK-Verlag sagte: Das interessiert mich! „Nichts erschüttert den Menschen mehr, zumal den belesenen, als der erste Gedanke seines Drucks.“ (Jean Paul, Flegeljahre) Ich stimme vollkommen zu.

Galt die Kritik der Verlage dem Stil, dem Inhalt oder beidem?

Einige Verlage verzichten (laut Homepage) generell auf Absagen; die meisten jedoch versenden standardisierte Antworten und nehmen ausdrücklich keine inhaltliche Bewertung vor. Ein Verlag meinte, er könne auf absehbare Zeit keinen Berlin-Roman ins Programm aufnehmen.

Glaubst du, es fehlte der Mut, Experimentelles zu veröffentlichen?

Das kann ich nicht sagen. Mut, Markt, Meinung – da spielen wohl mehrere Faktoren eine Rolle, nicht zuletzt finanzielle.

RGB-96-dpi-300-pix-mal-425-pix-front-kuuuk-verlag-zu-schraml-JOSEF-STUMPF-SCHNITZER-version-11-04-2015Was war es für ein Gefühl, dein fertiges Buch in Händen zu halten?

Vorher glaubt mans ja gar nicht. Der Verlag hat Josef als Hardcover-Ausgabe gedruckt – das ist auch haptisch dann: umwerfend! Noch schöner: in der Bibliothek das Buch aus dem Regal ziehen zu können …

Dein Roman zeichnet sich vor allem durch den spielerischen Umgang mit der Sprache aus. Auf dem Titelblatt bittet der Verlag, sich beim Lesen bewusst zu machen, dass die deutsche Sprache komplex und vielschichtig verwendet werden kann. Glaubst du, dass dein Roman diesen Hinweis braucht?

Das ist ein Standardsatz des Verlages, der ja mehr Bücher publiziert, die sprachlich experimentieren. Zumindest bewirkt er Reflektion über das Thema.

Warum schreibst du wie du schreibst?

Möglichkeit a) Ich kann_s nicht anders. Das ist die Art und Weise, wie ich das Leben bearbeite.
Möglichkeit b) Ich stelle mir Sprache vor wie die See: manchmal flutet sie, reißt mit, überollt einen überspannt wellenwuchtig – dann zieht sie sich zurück, nimmt mit, trägt hinaus, hinterlässt Lücken und Leerstellen, verstört.
Möglichkeit c) Ich mag es, wenn es 3 Möglichkeiten gibt, mindestens = Listen.

Wie kann man sich deinen Schreibprozess vorstellen?

Es gibt verschiedene Phasen, nachdem einen die Idee getroffen hat. Schreiben, Strukturieren, Recherchieren … und dann wieder von vorne … Umschreiben, Umstrukturieren, Nachrecherchieren … Jegliches hat seine Zeit.

Gibt es Autoren oder Bücher, die dich und dein Schreiben beeinflusst haben?

Thomas Bernhard. Seine Sprache ist wie Musik, rhythmisch, schwungvoll, in Variationen und Redundanzen, zum Tanzen sozusagen. Und inhaltlich ist er derjenige, bei dem ich am meisten mich selbst wiederfinde. Ansonsten glaube ich trägt jedes Gelesene ein Stück zum Eigenen bei.

Du stellst deinem Roman ein Zitat von Döblin voran. Wieviel Döblin steckt in „Josef der Schnitzer Stumpf“?

Wenn man Berlin-Alexanderplatz kennt, findet man sicher ein paar Reminiszenzen; das Motiv vom Über_Leben in der Stadt ist wohl die grundsätzlichste.

Du schaltest in deinem Roman einen allwissenden Erzähler hinzu, der oftmals ziemlich altklug aktuelle gesellschaftliche Ereignisse anbringt oder soziologische Thesen formuliert. Warum hast du dich für diesen zweiten Erzähler entschieden?

Die Entscheidung fiel weniger dafür oder dagegen, sondern (auf eine Anregung hin) darauf, ihn durch eine eigene Schriftart sichtbar zu machen. Diese Stimme war von Anfang an da und übernimmt ganz unterschiedliche Funktionen und Positionen – eine davon sitzt mir immer im Nacken und will mir hineinreden besserwissen ablenken – dagegen schreibe ich an.

Der Protagonist des Romans flüchtet aus seiner dörflichen Heimat in die Großstadt und ist dort vorerst völlig überfordert von seinen Eindrücken. Du selbst hast ebenfalls das Dorf verlassen und bist nach Berlin gezogen. Wie hast du die Stadt und den Kontrast zur ländlichen Idylle erlebt?

Es gab plötzlich unheimlich viele Optionen, in jeder Hinsicht. So viele Theater, Museen, Bibliotheken, Kneipen, Veranstaltungen – und eine Menge Menschen, die genau dasselbe vorhatten. Der größte Gewinn war für mich der kulturelle: Ich kannte den „Mönch am Meer“ von C.D. Friedrich durch einen Text von Kleist – und konnte jetzt selber davorstehen und sehen, wie es einem Lider aufklappt wegreißt davonschwemmt. Aber in Berlin herrscht auch der Stress – nach drei Jahren brauchte ich eine Pause und ging nach Würzburg, um zu studieren. Nun ja: kaum ist man weg, fehlt es einem. Deswegen bin ich auch zurück nach Berlin: ich mag diese Vielfalt.

Bisher wurde dein Roman kaum von der Presse beachtet. Hattest du bestimmte Erwartungen bezüglich der Aufnahme deines Romans?

Natürlich habe ich mir mehr Resonanz erhofft, gerade zu Beginn. Aber das ergeht vermutlich anderen Werken kleiner Verlage ähnlich; trotz Indiebook-Kampagnen wie der Hotlist ist es wohl nicht einfach, in diesem schwer überschaubaren Literaturbetrieb wahrgenommen zu werden.

Ist ein weiteres Buch geplant?

Ich arbeite gerade an einer größeren Reihe Kurzgeschichten und Erzählungen – Stadtstreuner, die atem_los problem_los beziehungs_los durch die Stadt irren. Ein zweiter Roman ist im ersten Entwurf auch fertig, aber mir fehlt momentan eine längere konzentrierte Zeit, um daran zu arbeiten. Diesmal wird eine Frau im Zentrum (Berlins) stehen und mit ihr alle belangvollen Wörter mit B: Bestätigung+Bedeutung, Bedürfnis+Befriedigung. (Und eine Menge K’s, naturgemäß.)


Vorstellung in Büchern

Nenne ein wichtiges Buch…

… aus deiner Kindheit: Fynn: Hallo, Mister Gott, hier spricht Anna.

… aus deiner Jugend: Leonie Ossowski: Die große Flatter.

… aus deiner aktuellen Lebensphase: Robert Walser: Im Bureau.

… das du dir für die Gegenwartsliteratur wünschen würdest, das aber noch nicht geschrieben wurde: Die Geschichte von dem Mann, an dem sich alle reiben und der sich in eine Feile verwandelt oder umgekehrt – je nachdem, wer sich wann wie sehr aufreibt.

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