Wir starten frisch ins neue Jahr mit dem letzten Kurzinterview zur Shortlist des Bloggerpreises 2017. Nach Julia Weber, Klaus Cäsar Zehrer, Jovana Reisinger und Christian Bangel hat auch Juliana Kálnay unsere Fragen zu ihrem Debütroman Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens und ihrem Schreiben beantwortet.

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© Mathias Prinz

Juliana Kálnay wurde 1988 in Hamburg geboren, wuchs zunächst in Köln und dann in Málaga auf. Sie veröffentlichte in deutsch- und spanischsprachigen Anthologien und Zeitschriften und erhielt das Arbeitsstipendium Literatur der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein 2016. Derzeit lebt sie in Kiel. 2017 wurde ihr Debütroman Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens mit dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet.


Wie lange hast du an dem Roman gearbeitet?

Von der ersten Textpassage bis zum fertigen Buch sind über sechs Jahre vergangen. In diese Zeit fallen Phasen, in denen ich sehr intensiv an dem Text gearbeitet habe, aber auch solche, in denen das Projekt sehr lange brach lag.

Wie schwierig gestaltete sich die Verlagssuche?

Ich hatte eine Agentur, die mir die Verlagssuche abgenommen hat, sodass ich die Absagen nicht selbst einkassiert habe. Es war uns ja allen bewusst, dass mein Roman nicht gerade marktgängig ist. Dass der Verlag Klaus Wagenbach sich auf dieses Wagnis eingelassen hat, war dann ein echter Glücksgriff.

Was war es für ein Gefühl, dein fertiges Buch in Händen zu halten?9783803132840

Ich war einfach nur erleichtert, dass die Belegexemplare endlich bei mir waren. Bei der Zustellung durch die Post gab es nämlich ein paar Probleme, weshalb das Ganze etwas länger gedauert hat.

Warum schreibst du wie du schreibst?

Wahrscheinlich hat mein Roman diese „Puzzlestruktur“ aus vielen Einzelteilen, weil ich zunächst in kleineren Textformaten denke, anstatt einen längeren Handlungsstrang im Voraus zu planen. Ich mag Widersprüche, Mehrdeutigkeiten und Bücher, die nach der Lektüre in einem weiterrumoren, deshalb arbeite ich auch viel mit Leerstellen. Und gelegentlich wird es surreal, weil ich denke, dass in der Literatur ruhig auch eine andere Logik und andere Parameter des Möglichen gelten dürfen. Und weil die Motive, aus denen meine Texte entstehen, häufig surreale sind.

Wie kann man sich deinen Schreibprozess vorstellen?

Am Anfang steht häufig ein Motiv, aus dem sich dann der Text entwickelt. Ich plane wenig im Voraus, sondern sammle erstmal Motivideen, Szenen, Textmaterial. Irgendwann zeigt sich schon, welche Richtung ein Projekt einschlägt. Dann fange ich auch an, bewusster nach Material zu suchen und es zusammenzufügen. Ich schreibe sehr langsam, weil ich mich häufig an einzelnen Formulierungen „festbeiße“ und immer wieder an den schon bestehenden Passagen feile und sie laut lese, bis der sprachliche Rhythmus stimmt.

Gibt es Autoren oder Bücher, die dich und dein Schreiben beeinflusst haben?

Der argentinische Autor Julio Cortázar war ein wichtiger Einfluss was die Art von und die Herangehensweise an Literatur angeht. Bei der Arbeit an meinem Roman war auch George Perec sehr wichtig, der 1978 einen Roman veröffentlicht hat, der sich ebenfalls komplett in einem Mietshaus abspielt. Außerdem gab es einzelne Texte und Autoren, die mich für einen bestimmten Ton oder eine Erzählperspektive weitergebracht haben, wie etwa Aglaja Veteranyi.

Ist ein weiteres Buch geplant?

Es gibt ein neues Projekt. Ob daraus auch ein neues Buch entsteht, wird sich zeigen.


Vorstellung in Büchern:

Nenne ein wichtiges Buch…

… aus deiner Kindheit 51NQ7NBYXAL

Die Unendliche Geschichte von Michael Ende war mit 9 mein absolutes Lieblingsbuch. Außerdem gab es ein Buch aus der Reihe ,Was ist was‘ über Hexen und Hexenwahn, das mich total faszinierte.

… aus deiner Jugend 

Mit 14 hätte ich sicherlich Harry Potter als eines meiner Lieblingsbücher genannt. Außerdem hatte ich ein Faible für Schauergeschichten.

… aus deiner aktuellen Lebensphase 51znE6xI8RL._AC_UL320_SR202,320_

Das große Heft von Agota Kristof hat mich zuletzt sehr beeindruckt.

… das du dir für die Gegenwartsliteratur wünschen würdest, das aber noch nicht geschrieben wurde. 

Schwierige Frage. Häufig weiß man ja erst, was noch fehlte, wenn man es schon vor sich hat. Aber in jedem Fall wünsche ich mir Autor*innen und Verlage mit Mut zum Risiko. Dann werden schon spannende Texte entstehen.


Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens (Verlag Klaus Wagenbach)

Hardcover // 192 Seiten // 20 € // 978-3-8031-3284-0

Eine Antwort zu „[Interview] Juliana Kálnay”.

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