Am 14. und 15. September 2017, bereits zum sechsten Mal, tagt in Laas/Südtirol eine fünfköpfige internationale Jury, bestehend aus namenhaften LiteraturwissenschaftlerInnen, LiteraturkritikerInnen und AutorInnen, um aus den von ihr nominierten Erstlingsromanen einen Gewinner/eine Gewinnerin zu küren. Da wir Euch dieses Literaturfest nicht entgehen lassen wollen, sind wir auch dieses Jahr wieder dabei!
Doch zuvor möchte ich Euch kurz die FinalistInnen und ihre Debütromane vorstellen.
Mascha Dabić: Reibungsverluste, nominiert von Daniela Strigl
Mascha Dabić ist 1981 in Sarajevo geboren und lebt heute in Wien. Sie übersetzt Literatur aus dem Balkanraum und setzt sich journalistisch mit dem Phänomen Migration auseinander. Zudem arbeitet sie als Dolmetscherin im Asyl- und Konferenzbereich.
Eben diese Erfahrungen hat die junge Autorin in ihrem Roman Reibungsverluste verarbeitet, denn auch ihre Protagonistin Nora ist als Dolmetscherin in einem Therapiezentrum für traumatisierte Flüchtlinge tätig. Sie liest gerne Bücher, auch wenn sie sich zu Beginn des Romans in einem dreimonatigen Lesestreik befindet, ist chaotisch und planlos, hat es nicht so mit der Pünktlichkeit und trauert ein wenig ihrer letzten Liebe Vladimir (oder vielleicht doch mehr Timothy?) nach. Die Leser begleiten Nora einen Tag lang, wie sie zwischen gestapelten Büchern aufwacht, einen nervenauftreibenden Arbeitstag meistert und dann noch zu guter Letzt auf dem Weg nach Hause vom Fahrrad fällt. Emanzipation, Vorteile einer gesetzlich und gesellschaftlich zugelassenen Polygamie, Abschiebungen und Folter- und Kriegserfahrungen sind die wichtigsten Themen dieses Debütromans, alles eingepackt in stil- und klangvoll komponierte Sätze. Leseprobe
Juliana Kálnay: Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens, nominiert von Kur Lanthaler
Juliana Kálnay ist 1988 in Hamburg geboren und verbrachte ihre Kindheit in Málaga. Sie studierte literarisches Schreiben in Hildesheim, zurzeit wohnt und schreibt sie in Kiel.
Magischer Realismus ist das Stichwort, mit dem man diesen Roman fassen könnte. Eine kurze Chronik des allmählichen Verschwindens ist eine Geschichte eines Hauses mit Nummer 29 und seiner Bewohner: da gibt es die mysteriöse Rita, die auf ihrem Balkon sitzt und strickt und alles zu wissen scheint, die man jedoch nichts fragen darf, da sie sonst lügt, da gibt es auch Don, der sich in einen Baum verwandelt, und einen Mitbewohner, der von vielen unbemerkt im Fahrstuhl des Hauses wohnt. Doch das geheimnisvollste Wesen ist Kasi, von dem niemand erfahren darf… In dem Roman, dessen Textpassagen durch spielerischen Umgang mit der Literatur und ursprünglich als Pastiches entstanden, gibt es vieles zu entdecken und einiges, was im Dunklen bleibt. Leseprobe
Stephan Lohse: Ein fauler Gott, nominiert von Elke Heinemann
Stephan Lose wurde 1964 in Hamburg geboren und verbrachte mehrere Jahre in den Theaterhäusern in Hamburg, Berlin und in Wien. Zurzeit lebt er in Berlin.
Ein fauler Gott fängt mit einer der tragischsten Erfahrungen, die einem Elternteil passieren kann, mit dem Tod des 8-jährigen Sohnes Jonas. Nichts ist danach wie früher, doch die alleinerziehende Mutter Maria (der Vater suchte sich noch davor eine neue Familie) und der 11-jährige Ben leben weiter… Aber wie findet man nach einer solchen Tragödie wieder in den Alltag? Kann man es verarbeiten? Vor allem, wenn man nicht darüber sprechen kann oder will…
Julia Weber: Immer ist alles schön, nominiert von Manfred Papst
Julia Weber wurde 1983 in Moshi (Tansania) geboren und kehre mit zwei Jahren mit ihrer Familie nach Zürich zurück. Sie ist Absolventin des Schweizerischen Literaturinstituts in Biel.
Immer ist alles schön, vor allem, wenn der Alkoholspiegel im Blut stimmt. Wären da noch nicht die beiden Kinder, die „Tierchen“, um die sich die alleinerziehende Mutter, die ihr Geld als Tänzerin in einem Club verdient und morgens meist verkatert und halb- bis nackt durch die Wohnung streift, wenig zu kümmern scheint. Und dabei haben Anais und Bruno nur zwei Wünsche: einen Urlaub ohne Alkohol und zu erfahren, wer ihre Väter sind… Eine rührende Geschichte von zwei Kindern, die trotz allem felsenfest hinter ihrer Mutter stehen.
Kathy Zarnegin: Chaya, nominiert von Gerhard Ruiss
Kathy Zarnegin ist 1964 in Teheran geboren und kam mit 14 Jahren in die Schweiz. Sie studierte Philosophie und Literaturwissenschaft in Basel und Zürich und ist als Lyrikerin, Publizistin und Übersetzerin tätig.
Chaya erzählt eine – wohl stark autobiographisch motivierte – Geschichte eines jungen Mädchens, das mit 14 Jahren die Heimatstadt Teheran verlässt, um in der Schweiz ein besseres Leben zu haben. Es ist nicht einfach, vor allem, weil Chaya ihr Brot mit der Dichtkunst verdienen will, und zwar gründet sie eine Gedichtagentur, die verschiedene Gedichte – bekannte wie eigene – in Form eines kunstvoll gestalteten Posters an die Kunden zu bringen versucht.
Das Debüt drückt den nominierten AutorInnen die Daumen!
Unsere Beiträge zum Franz-Tumler-Literaturpreis 2015
Hast Du auch eins (oder vielleicht sogar mehrere) der Bücher bereits gelesen? Schreib uns in den Kommentaren, welches Buch Du gelesen hast und wie es Dir gefallen hat und verlinke deine Buchbesprechung!
Wir sind sehr gespannt auf Eure Meinung!
Eine Bemerkung am Rande:
Alle der hier genannten Bücher wurden von den Verlagen ebenfalls für den Bloggerpreis für das beste Debüt des Jahres eingereicht.
„Das Debüt“ erstellt aus den Einreichungen eine Shortlist. Über den Gewinner entscheiden dann ausschließlich Literaturblogger. Blogger, die als ein Jurymitglied über das beste Romandebüt des Jahres abstimmen wollen, können sich ab sofort formlos noch bis zum 1. Oktober 2017 per E-Mail unter bloggerpreis@dasdebuet.de anmelden. Teilnehmen können alle Blogger, deren Blog seit mindestens einem Jahr besteht und die dort regelmäßig literaturspezifische Beiträge veröffentlichen.
Weitere Informationen findest Du hier.
Liebe Bozena,
wie du weißt, fand ich ja Juliana Kalnays Debüt so richtig gut. Hier ist der link dazu:
https://literaturleuchtet.wordpress.com/2017/02/21/juliana-kalnay-eine-kurze-chronik-des-allmaehlichen-verschwindens-wagenbach-verlag/
Julia Webers „Immer ist alles schön“ habe ich angelesen und war nicht überzeugt …
Viele Grüße!
Marina
LikeGefällt 1 Person
Gelesen habe ich das Buch der Juliane Kalnay https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/02/18/eine-kurze-chronik-des-allmaehlichenverschwindens/und das der Mascha Dabic https://literaturgefluester.wordpress.com/2017/07/13/o-toene-zu-krieg-flucht-trauma-und-uebersetzung/ wurde bei den O-Tönen vor ein paar Wochen vorgestellt. Die anderen Bücher sagen mir nichts. Das buch der Juliane Kalnay fand ich toll und würde mich freuen wenn es auf die Bloggerdebutpreis-Shortlist kommt, liebe Grüße
LikeGefällt 1 Person
Pingback: [unterwegs] Julia Weber erhält für „Immer ist alles schön“ den Franz-Tumler-Literaturpreis | Das Debüt